Mietkürzung Gewerberaum wegen Corona
Welche Rechte stehen sowohl Vermietern als auch Mietern zu?
In unserem Blog vom 24.03.2020 haben wir bereits ausführlich erörtert, welche Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Miete für einen Gewerberaum erfüllt sein müssen. So ist z.B. eine Mietkürzung denkbar, wenn eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB zutrifft oder ein im Mietvertrag vorgesehener Nutzungszweck nicht mehr erfüllbar ist.
Jedoch sind manche Mieter oder Pächter der Meinung, dies dahin auslegen zu können, Mietzahlungen gar komplett zu verweigern. Aus diesem Grund müssen sich die Gerichte aktuell immer wieder mit diesem Thema beschäftigen.
Hier ein kurzer Überblick zu aktuellen Entscheidungen:
1. Landgericht Zweibrücken: keine Mietkürzung
Ein Gewerberaummieter (Filial-Kette) hat aufgrund des coronabedingten Lockdowns die Miete für den Monat April 2020 nicht bezahlt. Dies mit der Begründung, dass der Gewerberaum aufgrund der behördlich angeordneten Maßnahme für den Publikumsverkehr geschlossen bleiben musste. Er ging von einer berechtigten Mietkürzung aus.
Der Vermieter zog also vor Gericht und erhob Klage wegen rückständiger Miete gegen den Mieter. Dies mit der Begründung, dass der Vermieter grundsätzlich das Verwendungsrisiko hinsichtlich des Mitgegenstandes trage.
Das Landgericht Zweibrücken entschied zu Gunsten des Vermieters, dass weder eine Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB vorliege, noch weitere rechtliche Grundlagen in Betracht kämen, die einen Wegfall oder Mietminderung rechtfertigen würden. Auch die gesetzlichen Neuregelungen hätten keinen Einfluss auf die Mietzahlungsverpflichtung. Der am 01.04.2020 in Kraft getretene Artikel 240 EGBGB § 1 gewährt Kleinstunternehmern und Verbrauchern ein Leistungsverweigerungsrecht. Bei der Beklagten handelt es sich jedoch weder um eine Kleinstunternehmerin noch um eine Verbraucherin. Auch eine Herabsetzung der Miete nach § 536 BGB, welche in Betracht kommt, wenn die Tauglichkeit der Mietsache gemindert ist, kommt nach Auffassung des Gerichts hier nicht in Betracht.
2. Landgericht Frankfurt a.M.: Keine Kürzung bei anderweitigem Ausgleich
Einen ähnlich gelagerten Fall hatte unlängst auch das Landgericht Frankfurt am Main zu entscheiden. Auch hier wurde der Klage eines Vermieters stattgegeben (2-15 O 23/20). Das Landgericht entschied, dass – solange ein Mieter (hier ein Einzelhandelsgeschäft) durch Kurzarbeit, staatliche Hilfe oder Onlineverkauf die Möglichkeit hat, Einsparungen zu erzielen – die erzwungene Schließung keine existentiellen Folgen für den Mieter hat. Eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ nach § 313 BGB entfalle auch hier.
3. OLG Karlsruhe: Mietkürzung nur bei Existenzbedrohung
Auch in zweiter Instanz kam das Oberlandesgericht Karlsruhe zu einer vermieterfreundlichen Entscheidung.
Eine Einzelhändlerin musste ihr Ladenlokal im Corona-Lockdown vom 18.03.2020 bis 19.04.2020 für den Publikumsverkehr schließen. Während dieser Zeit zahlte sie die vereinbarte Miete nicht an den Vermieter. Hiergegen klagten die Vermieter und erhielten vor dem Landgericht Heidelberg mit Urteil vom 30.07.2020 (Az.: 5 O 66/20) Recht.
Hiergegen legte die Einzelhändlerin Berufung ein.
In der Berufungsinstanz sah es das Oberlandesgericht Karlsruhe jedoch ähnlich und wies das Vorhaben der Mieterin zurück. Sie sei zur vollständigen Zahlung der Miete verpflichtet. Eine pandemiebedingte Betriebsschließung stelle keinen Mietmangel dar, der zur Mietminderung berechtigte.
Eine Mietkürzung komme unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage in Betracht. Dies allerdings auch nur dann, wenn die Inanspruchnahme des Mieters zu einer Vernichtung seiner Existenz führen würde. Zudem müsste auch die Interessenlage des Vermieters eine Anpassung des Vertrages erlauben. Um dies zu bejahen, muss eine umfangreiche Interessenabwägung stattfinden. Diese muss neben der Umsatzentwicklung, einer etwaigen Kompensation durch Online-Handel auch öffentliche Leistungen, ersparte Aufwendungen (z.B. Kurzarbeit) sowie fortbestehende Vermögenswerte beinhalten.
Im vorliegenden Fall war dazu nicht ausreichend vorgetragen worden. Daher unterlag die Beklagte als Mieterin.
4. LG München I: Keine Mietkürzung bei anderweitiger Kompensation
Auch das Landgericht München ging in einem vergleichbaren Fall davon aus, dass etwaige Kompensationen eines Mieters angerechnet werden müssten (Urteil vom 12.2.2021, Az. 31 O 11516/20).
Streitgegenständlich waren hier Ersparnisse des Mieters wegen erhaltenem Kurzarbeitergeld.
Das LG München I ging davon aus, dass dies entsprechend anzurechnen sei und in diesem Umfang keine Anpassung des Vertrages erfolgen könne.
Dies rechtfertigt sich dadurch, dass eine Anpassung nur eine gerechte Umverteilung des Risikos erreichen soll. Wenn jedoch ein Mieter durch erhaltene Kurzarbeitsgelder bereits einen Ausgleich für Risiken erhalten hat, müssen diese Beträge nicht mehr im Verhältnis zum Vermieter verteilt werden.
5. OLG Dresden: Mietkürzung um 50% bei Betriebsschließung
Das Oberlandesgericht Dresden bestätigte ebenfalls die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB (Urteil vom 24.02.2021, Az.: 5 U 1782/20).
Das Landgericht Chemnitz sah in erster Instanz keinen Grund für die Einbehaltung der Miete durch eine Einzelhändlerin (Az.: 4 O 639/20). Es verurteilte die Mieterin zur Zahlung der Miete.
In zweiter Instanz ging das OLG Dresden dann von einer Reduzierung der Kaltmiete um die Hälfte aus. Die Mietkürzung gelte für die Dauer der angeordneten Betriebsschließung.
6. LG Mönchengladbach: Mietkürzung um 50%
Ähnliches nahm auch das Landgericht Mönchengladbach mit Urteil vom 02.11.2020 bei einem vollständigen Nutzungsverbot an (Az.: 12 O 154/20).
Angemessen sei dann die Mietkürzung um die Hälfte. Dies würde das Risiko auf beide Parteien gerecht verteilen.
7. LG Oldenburg: Mietkürzung bei Nutzungsverbot
Auch das Landgericht Oldenburg äußerte sich dahingehend, dass grundsätzlich auch bei corona-bedingter Schließung die volle Miete geschuldet ist (Urteil vom 26.10.2020, Az.: 8 O 1268/20).
Nur bei einem vollständigen Nutzungsverbot habe ein Mieter einen Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 BGB. Dies komme jedoch nur dann in Betracht, wenn konkret zur wirtschaftlichen Situation vorgetragen wird und eine existenzbedrohende Situation vorliegt.
8. AG Düsseldorf: Mietkürzung nur bei Nachweis der Existenzgefährdung
Wird jedoch nicht ausreichend zur wirtschaftlichen Situation vorgetragen, so kann auch keine Reduzierung der Miete verlangt werden. Dies hat das Amtsgericht Düsseldorf entschieden (Urteil vom 10.11.2020, Az.: 45 C 245/20).
Legt ein Mieter eine Existenzgefährdung oder eine vergleichbare, zur Unzumutbarkeit führende wirtschaftliche Beeinträchtigung nicht dar, ist ihm ein Festhalten am Mietvertrag nicht unzumutbar. Dann kann er auch keine Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage verlangen.
Dies gilt erst recht, wenn die Betriebsschließung gerade einmal 26 Arbeitstage dauerte.
9. LG Münster: Mietkürzung nur bei erheblicher Beeinträchtigung
Zur Höhe einer etwaigen Vertragsanpassung äußerte sich auch das Landgericht Münster mit Urteil vom 19.02.2021 (Az.: 23 O 18/20).
Die komplette Schließung für sechs Wochen und Öffnungseinschränkungen während weiteren neun Werktagen sowie ein Umsatzverlust von 10% rechtfertigen keine Vertragsanpassung. Dadurch sei nicht hinreichend nachgewiesen, dass eine Fortzahlung wie vertraglich geschuldet unzumutbar sei.
10. LG München II
Deutlich vermieterfreundlicher sah es das Landgericht München II mit Urteil vom 06.10.2020 (Az.: 13 O 2044/20).
Hier ging man nämlich davon aus, dass auch § 313 BGB nicht anzuwenden sei.
Sind gewerbliche Mieter im Bereich des Einzelhandels während des ersten Lockdowns von Betriebsschließungen betroffen, steht ihnen unter keinem Rechtsgrund ein Anspruch auf Mietkürzung zu.
Dadurch, dass das COVID-19-Pandemie-Gesetz eine Regelung zu § 313 vorsieht, entfaltet dies eine Sperrwirkung für anderweitige Regelungen. Eine Minderung wegen Mangels oder ähnlichem scheidet deshalb bereits aus.
313 BGB ist hingegen abzulehnen, da der erste Lockdown sich nur auf wenige Wochen erstreckte und insofern kein gravierender Umstand vorlag, der zur Unzumutbarkeit für Mieter führen würde. Setzt man diese mehrwöchige Phase nämlich ins Verhältnis zur mehrjährigen Entwicklung, ist ein Umsatzausfall nicht mehr gravierend genug.
So sah es das LG zumindest in dem entschiedenen Fall.
Fazit:
Letztendlich sind sich daher die Gerichte nunmehr in weiten Teilen zumindest im Grundsatz einig. Eine Reduzierung der Miete aufgrund eines Mangels scheidet aus. Eine Anpassung der Miete aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage ist möglich. Dazu muss seitens eines Mieters jedoch vorgetragen werden, dass ein erheblicher Umsatzrückgang eingetreten ist. Ohne Beleg für eine existenzgefährdende Situation ist ein Anspruch von vornherein zu verneinen. Zudem muss Einblick in etwaige Kompensationszahlungen, wie staatliche Beihilfen oder Kurzarbeitergeld gewährt werden.
Geschieht dies, kann von einer Reduzierung um bis zu 50% der Miete ausgegangen werden. Geschieht dies nicht, ist hingegen die volle Miete weiterhin geschuldet.
Hingegen gibt es auch Stimmen, die die Schranken deutlich enger, insbesondere zu Lasten von Mietern setzen.
Letztendlich ist und bleibt es eine Entscheidung im Einzelfall.
Sollten Sie Fragen zu diesem Thema haben, so nehmen Sie bitte Kontakt zu uns auf.