Neubestellung Verwalter im WEG-Recht

Wer die Wahl hat, hat die Qual.

Wenn innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Neuwahl eines Verwalters ansteht, kann die Entscheidung zwischen mehreren Bewerbern häufig schwierig sein. Gelegentlich mag es vorkommen, dass den Eigentümern kaum Bewerber bekannt sind oder etwaige Angebote fehlen. Doch welche Informationen sind bei der Wahl einer neuen Verwaltung offen zu legen? Wir klären auf.

1. Der Fall

In einem jüngst vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war bei der Ladung zu einer Wohnungseigentümerversammlung eine bestimmte Firma als Verwalter-GmbH – nachfolgend als T-GmbH bezeichnet – vorgeschlagen worden. In der Versammlung wurde jedoch klar, dass noch zwei weitere Angebote eingeholt wurden. Diese Angebote wurden im Vorfeld zur Versammlung aber nicht offen gelegt. Sie lagen lediglich zur Einsicht für etwaig interessierte Eigentümer bereit. Dies lag daran, dass sich der Verwaltungsbeitrat für die T-GmbH aussprach. Aufgrund dieser Tatsache bestellten die Eigentümer die T-GmbH als Verwalter.

Fraglich ist nun, ob die Angebote der Mitbewerber den übrigen Eigentümern zur Verfügung gestellt hätten werden müssen.

 

2. Das Verfahren

Einige der Wohnungseigentümer schlossen sich zusammen und reichten eine Anfechtungsklage beim Amtsgericht ein. Sie waren der Auffassung, man hätte ihnen Einsicht in die anderweitigen Angebote geben sollen. Nur so hätten sich die Eigentümer voll informiert zwischen den Bewerbern entscheiden können. Die Klage wurde abgewiesen.

In zweiter Instanz vor dem Landgericht scheiterten die Kläger ebenfalls. In dritter Instanz hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und erklärte den Beschluss zur Verwalterbestellung für ungültig.

3. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.01.2020 (Az.: V ZR 110/19) entschieden, dass bei der Neubestellung eines Verwalters die Angebote der Bewerber innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt werden müssen. Es genüge nicht, wenn die Angebote zur Einsichtnahme bereitgehalten werden. Vielmehr ist bei einer Neubestellung erforderlich, die Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote zur Verfügung zu stellen. Der BGH bejahte also die oben unter Punkt 1 aufgeworfene Frage.

Nur so sei eine ordnungsgemäße Beschlussfassung möglich.

Immerhin geht es bei der Neubestellung eines Verwalters und die Vergabe einer weitreichenden Funktion, die insbesondere meist über mehrere Jahre bestehen soll. Dies erfordert, dass Eigentümern zumindest die Möglichkeit haben müssen, sich fundierte Kenntnisse zur Entscheidungsfindung anzueignen.

Wenn diese Daten erst im Rahmen der Versammlung erstmalig benannt werden, können interessierte Eigentümer keinerlei eigene Erkundungen mehr anstellen und sind auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen im Rahmen der Versammlung angewiesen. Die Eigentümer können sich dann nicht sachgerecht und ihm jeweils erwünschten Ausmaß informieren.

4. Fazit

Wohnungseigentümern müssen Gelegenheit haben, sich rechtzeitig über Alternativangebote zu informieren. Je bedeutender die zu treffende Entscheidung, desto wichtiger ist eine umfangreiche und frühzeitige Information über alle zugrunde liegenden Fakten. Nur so ist gewährleistet, dass die getroffene Entscheidung dann auch tatsächlich dem mehrheitlichen Willen der Eigentümer entspricht und bei Kenntnis aller Umstände nicht anders ausgefallen wäre.

Der Entscheidung des BGH ist daher aus unserer Sicht vollumfänglich zuzustimmen.

Ausreichend dürften aber wohl die Namen der etwaiger Bewerber, sowie die konkret geforderte Vergütung und die Laufzeit des Vertrages sein.

Sollten Sie Fragen haben, sind wir gerne für Sie erreichbar. 


Eltern-Kind-Zentrum in der Wohnungseigentumsanlage

Wie störend ist der Kinderlärm?

Innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage ist oft Rücksicht auf andere Bewohner geboten. Das gilt sowohl für die störenden Bewohner, die sich entsprechend zurückhalten sollen, als auch für die übrigen, die gewisse Lärmbelästigungen ertragen müssen.

Viele Einzelheiten zum zulässigen Verhalten können in der Teilungserklärung enthalten sein.

Der Bundesgerichtshof hatte nun kürzlich zu entscheiden, wie es sich bei einem Eltern-Kind-Zentrum innerhalb einer Wohnungsanlage verhält (Urteil vom 13.12.2019, Az.: V ZR 203/18).

1. Der Sachverhalt: Lärm durch Kinder in der Eigentumsanlage

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Die Wohnung der Kläger befindet sich im ersten Obergeschoss des Objektes. Geklagt wurde gegen einen Verein, der als solcher eine Einheit im Erdgeschoss anmietete. Streitpunkt war eine etwaige Ruhestörung durch Kinder.

In der Teilungserklärung des Objektes wurde bestimmt, dass das von der Beklagten genutzte Mietobjekt als „Laden mit Lager“ benutzt werden dürfe.

Der Beklagte nutzte die Einheit als Eltern-Kind-Zentrum. Hintergrund des Zentrums war und ist laut Satzung des Vereins, der Isolation von Eltern entgegenzuwirken. Dies sei nämlich für Familien in Großstädten zunehmend ein Problem.

Die Öffnungszeiten des Zentrums gelten montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. Vormittags findet dort eine Art Mini-Kindergarten für Kinder zwischen 18 und 36 Monaten statt. Montags und Freitags wird der Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ für Eltern abgehalten. Nachmittags veranstaltet der Beklagte ein „offenes Spielzimmer“ für Kinder und Familienangehörige mit Kaffee und Kuchen sowie Spielecke und einigen Kinder-Kursen. Samstags treffen sich von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr die „scuola Italiana“ mit Kindern von 4 bis 6 Jahren und einmal monatlich von 13 Uhr bis 16 Uhr eine Pfadfinderinnen-Gruppe.

Außerdem finden unregelmäßig Kinder-Feiern, Flohmärkte oder Vorträge statt.

 

2. Bisheriger Prozessverlauf

Die Kläger klagten gegen den Verein und verlangten die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum. Daneben ging es auch darum, dass auf der Außenfläche vor der Einheit keine Kinderwägen und Fahrräder abgestellt werden sollten. Im Kern wollten die Kläger erreichen, dass die Lärmbelästigung von dieser Einheit reduziert würde.

Das Landgericht München I hat in erster Instanz einen Anspruch auf Unterlassung bejaht. Der Beklagte ging in Berufung vor dem Oberlandesgericht München, doch blieb auch hier erfolglos. Mit der Revision zum Bundesgerichtshof verfolgt der Beklagte sein Vorhaben weiter.

3. Die Entscheidung: Lärm durch Kinder ist erlaubt!

Der Bundesgerichtshof war anderer Auffassung als die Vorinstanzen und hat nun der Revision des Beklagten stattgegeben. Zumindest in der Hauptsache, nämlich die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum, sah er den Beklagten im Recht. Hinsichtlich der Störungen in den Außenflächen sowie etwaiger Lärmbelästigungen muss nun das Oberlandesgericht – wegen der abweichenden Entscheidung im Hauptantrag – neu entscheiden.

Ein Wohnungseigentümer kann generell gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung verlangen, wenn dieser die Einheit anders nutzt als in der Teilungserklärung vorgesehen. Das gilt zwar dann nicht, wenn die tatsächliche Nutzung nicht mehr stört als die erlaubte Nutzung. Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum ausgehen, sind aber typischerweise lauter und störender als die eines Ladens mit Lager. Dies würde zunächst für einen Anspruch auf Unterlassung sprechen.

Der Bundesgerichtshof verneint einen Anspruch aber trotzdem.

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind nämlich Geräusche, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen oder ähnlichen Einrichtungen ausgehen, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Dies liegt daran, dass „Kinderlärm“ generell durch Gesetz und Rechtsprechung privilegiert behandelt wird. Das müsste man auch bei der Prüfung, ob die Nutzung von der Teilungserklärung gedeckt sei, berücksichtigen. Dass die Teilungserklärung bedeutend älter ist als das Bundesimmissionsschutzgesetz, spielt dabei keine Rolle.

Anders könnte man es nur sehen, wenn die Nutzung komplett im Widerspruch zur vorgesehenen Nutzung stünde. So wäre es beispielsweise bei einem konzipierten Ärztehaus, da hier auch der professionelle Charakter des Gebäudes leiden würde.

Das Eltern-Kind-Zentrum fällt ebenfalls unter eine solche Bevorzugung. Dem steht nicht entgegen, dass dort auch Erwachsenen-Kurse angeboten werden. Das Hauptaugenmerk der Einrichtung ist und bleibt die Frühförderung der Kinder.

4. Fazit

Die Entscheidung mag an manchen Stellen auf Verwunderung stoßen. Immerhin besagt die Teilungserklärung eindeutig, welche Nutzung zugelassen ist (und im Umkehrschluss daraus, welche eben gerade nicht).

Allerdings ist die Rechtsprechung in vielerlei Hinsicht seit geraumer Zeit äußerst kinderfreundlich und privilegiert ausdrücklich jeglichen „Lärm“, der von Kindern ausgeht bzw. mit Einrichtungen für Kinder in Verbindung steht. Insofern ist vor diesem Hintergrund die Entscheidung nur konsequent.

Für die Bewohner des Hauses ist dies, falls diese sich von der Einrichtung gestört fühlen, natürlich nur ein geringer Trost. Immerhin sah man sich aufgrund der Teilungserklärung auf der sicheren Seite.

Hier wird aber aufgrund der Bevorzugung zu Gunsten von Familien und Kindern für die Zukunft nur eine Änderung bzw. Verschärfung der Teilungserklärung helfen. Ob dies von der Mehrheit der Eigentümer gewollt sein wird, bleibt fraglich. Immerhin empfinden viele Menschen „Kinderlärm“ nicht als derart störend.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu einem anderen Thema bezüglich Wohnungseigentum? Gerne können Sie sich hierzu mit uns in Verbindung setzen. Wir sind als Kanzlei unter anderem auf Probleme im Rahmen des WEG spezialisiert. Wir helfen Ihnen gern!