Neubestellung Verwalter im WEG-Recht

Wer die Wahl hat, hat die Qual.

Wenn innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Neuwahl eines Verwalters ansteht, kann die Entscheidung zwischen mehreren Bewerbern häufig schwierig sein. Gelegentlich mag es vorkommen, dass den Eigentümern kaum Bewerber bekannt sind oder etwaige Angebote fehlen. Doch welche Informationen sind bei der Wahl einer neuen Verwaltung offen zu legen? Wir klären auf.

1. Der Fall

In einem jüngst vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fall war bei der Ladung zu einer Wohnungseigentümerversammlung eine bestimmte Firma als Verwalter-GmbH – nachfolgend als T-GmbH bezeichnet – vorgeschlagen worden. In der Versammlung wurde jedoch klar, dass noch zwei weitere Angebote eingeholt wurden. Diese Angebote wurden im Vorfeld zur Versammlung aber nicht offen gelegt. Sie lagen lediglich zur Einsicht für etwaig interessierte Eigentümer bereit. Dies lag daran, dass sich der Verwaltungsbeitrat für die T-GmbH aussprach. Aufgrund dieser Tatsache bestellten die Eigentümer die T-GmbH als Verwalter.

Fraglich ist nun, ob die Angebote der Mitbewerber den übrigen Eigentümern zur Verfügung gestellt hätten werden müssen.

 

2. Das Verfahren

Einige der Wohnungseigentümer schlossen sich zusammen und reichten eine Anfechtungsklage beim Amtsgericht ein. Sie waren der Auffassung, man hätte ihnen Einsicht in die anderweitigen Angebote geben sollen. Nur so hätten sich die Eigentümer voll informiert zwischen den Bewerbern entscheiden können. Die Klage wurde abgewiesen.

In zweiter Instanz vor dem Landgericht scheiterten die Kläger ebenfalls. In dritter Instanz hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und erklärte den Beschluss zur Verwalterbestellung für ungültig.

3. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 24.01.2020 (Az.: V ZR 110/19) entschieden, dass bei der Neubestellung eines Verwalters die Angebote der Bewerber innerhalb der Einladungsfrist des § 24 Abs. 4 Satz 2 WEG den Wohnungseigentümern zur Verfügung gestellt werden müssen. Es genüge nicht, wenn die Angebote zur Einsichtnahme bereitgehalten werden. Vielmehr ist bei einer Neubestellung erforderlich, die Angebote der Bewerber oder jedenfalls deren Namen und die Eckdaten ihrer Angebote zur Verfügung zu stellen. Der BGH bejahte also die oben unter Punkt 1 aufgeworfene Frage.

Nur so sei eine ordnungsgemäße Beschlussfassung möglich.

Immerhin geht es bei der Neubestellung eines Verwalters und die Vergabe einer weitreichenden Funktion, die insbesondere meist über mehrere Jahre bestehen soll. Dies erfordert, dass Eigentümern zumindest die Möglichkeit haben müssen, sich fundierte Kenntnisse zur Entscheidungsfindung anzueignen.

Wenn diese Daten erst im Rahmen der Versammlung erstmalig benannt werden, können interessierte Eigentümer keinerlei eigene Erkundungen mehr anstellen und sind auf die Vollständigkeit und Richtigkeit der Informationen im Rahmen der Versammlung angewiesen. Die Eigentümer können sich dann nicht sachgerecht und ihm jeweils erwünschten Ausmaß informieren.

4. Fazit

Wohnungseigentümern müssen Gelegenheit haben, sich rechtzeitig über Alternativangebote zu informieren. Je bedeutender die zu treffende Entscheidung, desto wichtiger ist eine umfangreiche und frühzeitige Information über alle zugrunde liegenden Fakten. Nur so ist gewährleistet, dass die getroffene Entscheidung dann auch tatsächlich dem mehrheitlichen Willen der Eigentümer entspricht und bei Kenntnis aller Umstände nicht anders ausgefallen wäre.

Der Entscheidung des BGH ist daher aus unserer Sicht vollumfänglich zuzustimmen.

Ausreichend dürften aber wohl die Namen der etwaiger Bewerber, sowie die konkret geforderte Vergütung und die Laufzeit des Vertrages sein.

Sollten Sie Fragen haben, sind wir gerne für Sie erreichbar. 


Eltern-Kind-Zentrum in der Wohnungseigentumsanlage

Wie störend ist der Kinderlärm?

Innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage ist oft Rücksicht auf andere Bewohner geboten. Das gilt sowohl für die störenden Bewohner, die sich entsprechend zurückhalten sollen, als auch für die übrigen, die gewisse Lärmbelästigungen ertragen müssen.

Viele Einzelheiten zum zulässigen Verhalten können in der Teilungserklärung enthalten sein.

Der Bundesgerichtshof hatte nun kürzlich zu entscheiden, wie es sich bei einem Eltern-Kind-Zentrum innerhalb einer Wohnungsanlage verhält (Urteil vom 13.12.2019, Az.: V ZR 203/18).

1. Der Sachverhalt: Lärm durch Kinder in der Eigentumsanlage

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Die Wohnung der Kläger befindet sich im ersten Obergeschoss des Objektes. Geklagt wurde gegen einen Verein, der als solcher eine Einheit im Erdgeschoss anmietete. Streitpunkt war eine etwaige Ruhestörung durch Kinder.

In der Teilungserklärung des Objektes wurde bestimmt, dass das von der Beklagten genutzte Mietobjekt als „Laden mit Lager“ benutzt werden dürfe.

Der Beklagte nutzte die Einheit als Eltern-Kind-Zentrum. Hintergrund des Zentrums war und ist laut Satzung des Vereins, der Isolation von Eltern entgegenzuwirken. Dies sei nämlich für Familien in Großstädten zunehmend ein Problem.

Die Öffnungszeiten des Zentrums gelten montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. Vormittags findet dort eine Art Mini-Kindergarten für Kinder zwischen 18 und 36 Monaten statt. Montags und Freitags wird der Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ für Eltern abgehalten. Nachmittags veranstaltet der Beklagte ein „offenes Spielzimmer“ für Kinder und Familienangehörige mit Kaffee und Kuchen sowie Spielecke und einigen Kinder-Kursen. Samstags treffen sich von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr die „scuola Italiana“ mit Kindern von 4 bis 6 Jahren und einmal monatlich von 13 Uhr bis 16 Uhr eine Pfadfinderinnen-Gruppe.

Außerdem finden unregelmäßig Kinder-Feiern, Flohmärkte oder Vorträge statt.

 

2. Bisheriger Prozessverlauf

Die Kläger klagten gegen den Verein und verlangten die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum. Daneben ging es auch darum, dass auf der Außenfläche vor der Einheit keine Kinderwägen und Fahrräder abgestellt werden sollten. Im Kern wollten die Kläger erreichen, dass die Lärmbelästigung von dieser Einheit reduziert würde.

Das Landgericht München I hat in erster Instanz einen Anspruch auf Unterlassung bejaht. Der Beklagte ging in Berufung vor dem Oberlandesgericht München, doch blieb auch hier erfolglos. Mit der Revision zum Bundesgerichtshof verfolgt der Beklagte sein Vorhaben weiter.

3. Die Entscheidung: Lärm durch Kinder ist erlaubt!

Der Bundesgerichtshof war anderer Auffassung als die Vorinstanzen und hat nun der Revision des Beklagten stattgegeben. Zumindest in der Hauptsache, nämlich die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum, sah er den Beklagten im Recht. Hinsichtlich der Störungen in den Außenflächen sowie etwaiger Lärmbelästigungen muss nun das Oberlandesgericht – wegen der abweichenden Entscheidung im Hauptantrag – neu entscheiden.

Ein Wohnungseigentümer kann generell gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung verlangen, wenn dieser die Einheit anders nutzt als in der Teilungserklärung vorgesehen. Das gilt zwar dann nicht, wenn die tatsächliche Nutzung nicht mehr stört als die erlaubte Nutzung. Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum ausgehen, sind aber typischerweise lauter und störender als die eines Ladens mit Lager. Dies würde zunächst für einen Anspruch auf Unterlassung sprechen.

Der Bundesgerichtshof verneint einen Anspruch aber trotzdem.

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind nämlich Geräusche, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen oder ähnlichen Einrichtungen ausgehen, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Dies liegt daran, dass „Kinderlärm“ generell durch Gesetz und Rechtsprechung privilegiert behandelt wird. Das müsste man auch bei der Prüfung, ob die Nutzung von der Teilungserklärung gedeckt sei, berücksichtigen. Dass die Teilungserklärung bedeutend älter ist als das Bundesimmissionsschutzgesetz, spielt dabei keine Rolle.

Anders könnte man es nur sehen, wenn die Nutzung komplett im Widerspruch zur vorgesehenen Nutzung stünde. So wäre es beispielsweise bei einem konzipierten Ärztehaus, da hier auch der professionelle Charakter des Gebäudes leiden würde.

Das Eltern-Kind-Zentrum fällt ebenfalls unter eine solche Bevorzugung. Dem steht nicht entgegen, dass dort auch Erwachsenen-Kurse angeboten werden. Das Hauptaugenmerk der Einrichtung ist und bleibt die Frühförderung der Kinder.

4. Fazit

Die Entscheidung mag an manchen Stellen auf Verwunderung stoßen. Immerhin besagt die Teilungserklärung eindeutig, welche Nutzung zugelassen ist (und im Umkehrschluss daraus, welche eben gerade nicht).

Allerdings ist die Rechtsprechung in vielerlei Hinsicht seit geraumer Zeit äußerst kinderfreundlich und privilegiert ausdrücklich jeglichen „Lärm“, der von Kindern ausgeht bzw. mit Einrichtungen für Kinder in Verbindung steht. Insofern ist vor diesem Hintergrund die Entscheidung nur konsequent.

Für die Bewohner des Hauses ist dies, falls diese sich von der Einrichtung gestört fühlen, natürlich nur ein geringer Trost. Immerhin sah man sich aufgrund der Teilungserklärung auf der sicheren Seite.

Hier wird aber aufgrund der Bevorzugung zu Gunsten von Familien und Kindern für die Zukunft nur eine Änderung bzw. Verschärfung der Teilungserklärung helfen. Ob dies von der Mehrheit der Eigentümer gewollt sein wird, bleibt fraglich. Immerhin empfinden viele Menschen „Kinderlärm“ nicht als derart störend.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu einem anderen Thema bezüglich Wohnungseigentum? Gerne können Sie sich hierzu mit uns in Verbindung setzen. Wir sind als Kanzlei unter anderem auf Probleme im Rahmen des WEG spezialisiert. Wir helfen Ihnen gern!


Modernisierungen in Eigentümergemeinschaft

Wer zahlt, verliert!

Man stelle sich vor, ein Eigentümer einer Gemeinschaft gibt Modernisierungen in Auftrag und begleicht diese. Später stellt sich heraus, dass dies gar nicht seine Aufgabe gewesen wäre. Stattdessen war dies die gemeinschaftliche Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Je mehr Eigentümer in der Gemeinschaft, umso geringer ist der eigene Kostenanteil.

Aber ist doch kein Problem, er erhält natürlich die zu viel bezahlten Kosten von den übrigen Eigentümern wieder, oder? Von wegen, entschied nun der Bundesgerichtshof.

1. Der Fall

Geklagt hatte ein Mitglied einer Eigentümergemeinschaft. Die Anlage bestand aus insgesamt 212 Apartments. Der Kläger ließ im Jahr 2005 seine einfach verglasten Holzfenster durch Kunststofffenster mit Dreifach-Isolierung ersetzen. Ähnliches hatten bereits zuvor auch andere Eigentümer in der Wohnanlage getan.

EigentümergemeinschaftDie Kosten hierfür übernahm der Kläger zunächst selbst. Dies tat er, weil er irrtümlich davon ausging, dass er die Erneuerung auf seine eigenen Kosten vornehmen müsste. Auch die übrigen Eigentümer nahmen ähnliche Modernisierungen vor, weil die rechtliche Lage noch nicht vollends geklärt war.

Im Jahr 2012 wurde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einer anderen Sache veröffentlicht, die Licht ins Dunkel brachte (Urteil vom 02.03.2012, Az.: V ZR 174/11). Darin ging es um eine vergleichbare Regelung in der Teilungserklärung. Entschieden wurde dabei, dass die Erneuerung eine gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer ist.

2. Das bisherige Verfahren

Bereits das Amtsgericht Hamburg-Barmbek ging davon aus, dass dem Eigentümer kein Anspruch zustünde. Die Klage auf Wertersatz in Höhe von 5.500,00 Euro wies es ab.

Auch in der Berufung vor dem Landgericht Hamburg blieb die Klage ohne Erfolg; jedoch wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Der Kläger wandte sich sodann an das oberste deutsche Zivilgericht, um die Sachlage zu klären.

3. Die Entscheidung für die Eigentümergemeinschaft

Der Bundesgerichtshof geht jedoch – ebenso wie die Vorinstanzen – davon aus, dass kein Anspruch auf Erstattung besteht. Hierfür fehle es an einer rechtlichen Anspruchsgrundlage.

Für einen solchen Anspruch gäbe es nur zwei mögliche Grundlagen im Gesetz: Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) oder Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Beide Regelungen sind vorliegend aber nicht anwendbar. Das liegt daran, dass für das Wohnungseigentumsrecht besondere Vorschriften gelten, die Spezielleres über die Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums enthalten. Jene Vorschriften besagen, dass die Wohnungseigentümer über etwaige Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden hätten (§ 21 Abs. 4, 5 WEG).

Dies hätte auch dann Vorrang, wenn es um eine zwingende Maßnahme geht. Denn auch dann verbleibt den Eigentümern ein gewisser Gestaltungsspielraum. Die genaue Ausführung der Maßnahmen, die Auswahl der Handwerker oder auch eine etwaige Kostenersparnis durch mehrere Aufträge liegt immerhin bei den Eigentümern. Ausnahmen hiervon gelten nur für Fälle der Notgeschäftsführung, also wenn ein Schaden unmittelbar droht (§ 21 Abs. 2 WEG).

Daran liegt es insofern auch, dass die Eigentümer auch über eine an sich zwingende Instandsetzung einen Beschluss fassen müssen.

Der BGH geht deshalb davon aus, dass es dem Eigentümer zumutbar ist, das besondere Verfahren des WEG einzuhalten. Im vorliegenden Fall hätte also auch der Kläger einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen können.

Der Irrtum des Klägers, er müsse die Modernisierung auf eigene Kosten als Sondereigentümer vornehmen, begründet keinen Anspruch. Ein Ausgleich würde die übrigen Eigentümer zu sehr in ihren Rechten als Mitglied der Gemeinschaft beschränken. Zwar müssen Eigentümer innerhalb einer WEG mit unvorhersehbaren Ausgaben durch Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum rechnen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie im Nachhinein Ausgaben tätigen müssen für bereits abgeschlossene Maßnahmen, die sie nicht beeinflussen konnten.

Ihr Mitspracherecht wäre auf diesem Weg vollkommen umgangen. Dies läuft der Systematik des Wohnungseigentumsrechtes zuwider.

4. Fazit zur Eigentümergemeinschaft

Im ersten Moment mag das Ergebnis dieses Falles überraschen. Denn immerhin befand sich der Kläger im Irrtum über seine eigene Zahlungspflicht.

Allerdings führte der Irrtum dazu, dass der Kläger die Maßnahme selbst und vollständig nach seinen eigenen Vorstellungen durchführte. Was wäre die Folge, wenn man einen Anspruch auf Erstattung gegenüber den anderen Eigentümern annehmen würde? Dann hätten alle Eigentümer der übrigen 211 Wohnungen Kosten für eine Maßnahme zu erstatten, die sie zu keinem Zeitpunkt beeinflussen konnten. Im schlimmsten Fall hätten sämtliche Eigentümer außer dem Kläger dagegen gestimmt. Auf diesem Weg könnte man sonst eine Maßnahme erzwingen, die im Rahmen der Gemeinschaft keine Mehrheit finden würde.

Bedenkt man diese Konsequenz, so ist verständlich, warum ein Anspruch des Klägers hier vom BGH verneint wurde.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu einem anderen Problem des Wohnungseigentumsrechts? Gerne helfen wir Ihnen bei der Klärung. Nehmen Sie hierzu einfach Kontakt mit unserer Kanzlei auf und vereinbaren Sie einen Termin.


Prozesskostenhilfe für Eigentümergemeinschaften

Wer muss denn nun bedürftig sein?

Der Bundesgerichtshof hatte kürzlich eine Fallkonstellation zu entscheiden, welche gerade im Bereich des Wohnungseigentumsrechts lange unklar war. Es ging dabei um die Frage, unter welchen Umständen einer Eigentümergemeinschaft Prozesskostenhilfe gewährt werden kann. In Anbetracht der vielen juristischen Meinungen brachte das oberste deutsche Zivilgericht nun Licht ins Dunkel.

1. Prozesskostenhilfe

Um den Hintergrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu verstehen, ist zunächst der Begriff der „Prozesskostenhilfe“ zu klären.

Wenn sich im Rahmen einer Streitigkeit Parteien nicht einigen können, haben sie die Möglichkeit, Gerichte zur rechtlichen Klärung der Angelegenheit anzurufen.

Oftmals scheitert die gerichtliche Geltendmachung lediglich an den damit verbundenen Kosten. Manch einer scheut den verhältnismäßig hohen Kostenaufwand. Andere sind gar nicht in der Lage, die Kosten für ein entsprechendes Gerichtsverfahren aufzutreiben. Dadurch wären finanziell schlechter gestellte Menschen per se an der Durchsetzung Ihrer Rechte gehindert.

Um dies zu verhindern, sieht die Zivilprozessordnung das Konstrukt der Prozesskostenhilfe vor. Danach können bedürftige Personen finanzielle Unterstützung des Staates erlangen, wenn diese selbst nicht in der Lage sind, Prozesskosten zu tragen.

Gemäß § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO können eine solche Beihilfe aber auch juristische Personen oder parteifähige Vereinigungen beantragen.

Seit jeher war unklar, wie weit der Personenkreis zu fassen ist, dem die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe offen steht.

2. Der Fall

Der Bundesgerichtshof hatte nun im Rahmen einer Rechtsbeschwerde zu klären, wie dies genau bei einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu handhaben ist.

 

Eine Eigentümergemeinschaft bestehend aus einer sehr großen Anzahl an Eigentümern beantragte im Rahmen eines Berufungsverfahrens vor dem Landgericht München I Prozesskostenhilfe. Dabei berief sich die Eigentümergemeinschaft ausschließlich auf das Vermögen der Gemeinschaft selbst. Die Gemeinschaft befand sich in einer schwierigen finanziellen Lage und konnte deshalb aus dem Gemeinschaftsvermögen die entsprechenden Prozesskosten nicht erbringen. Die erforderliche Bedürftigkeit wurde gegenüber dem Landgericht dargetan.

Das Landgericht wies jedoch den Antrag zurück. Die Richter waren der Auffassung, dass es nicht nur auf die finanziellen Gegebenheiten der Eigentümergemeinschaft, sondern auch auf die Bedürftigkeit der einzelnen Eigentümer selbst ankäme. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe käme nur in Betracht, wenn weder die Gemeinschaft noch die wirtschaftlich Beteiligten die Kosten der Prozessführung aufbringen könnten.

Da die Rechtslage bislang nicht geklärt war, ließ das Landgericht jedoch die Rechtsbeschwerde zum BGH zu.

Die Eigentümergemeinschaft rief den Bundesgerichtshof um Hilfe an und bat um höchstrichterliche Entscheidung zu diesem Thema. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass eben gerade zwischen dem Verband der Eigentümer und den einzelnen Eigentümern rechtlich zu differenzieren sei.

3. Die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe

Der Bundesgerichtshof entschied nun zu dieser bislang offenen Rechtslage wie folgt:

Die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe liegen bei der Wohnungseigentümergemeinschaft nur vor, wenn die Kosten des Rechtsstreits weder von ihr noch von den Wohnungseigentümern aufgebracht werden können (BGH, Beschluss vom 21.03.2019, Az.: V ZB 111/18).

Der BGH sieht in einer Eigentümergemeinschaft zwar grundsätzlich eine parteifähige Vereinigung gemäß § 116 ZPO. Dadurch wird die generelle Möglichkeit für Eigentümergemeinschaften Prozesskostenhilfe zu beantragen erst eröffnet.

Jedoch hält er die Eigentümer für wirtschaftlich Beteiligte des Eigentümerverbandes. Insofern muss nicht nur der Verband selbst, sondern auch jeder einzelne Eigentümer bedürftig sein, um Prozesskostenhilfe zu erhalten.

Begründet wird dies mit der sogenannten Nachschusspflicht der Eigentümer. § 28 WEG besagt, dass Eigentümer stets für die wirtschaftliche Funktionalität des Verbandes sorgen müssen. Ergeben sich hier Fehlbeträge, so müssen diese durch die übrigen Eigentümer entsprechend ausgeglichen werden. Jeden Eigentümer trifft insoweit eine Nachschusspflicht.

Diese Verpflichtung besteht letztlich auch in Fällen zukünftiger Prozesskosten. Letztendlich liegt es also im Verantwortungsbereich der Eigentümer, eine etwaige Finanzierungslücke zu schließen. Zu diesem Zweck besteht die Möglichkeit, innerhalb einer Eigentümergemeinschaft Sonderumlagen zu beschließen.

Daraus folgt denknotwendig, dass Prozesskostenhilfe für eine Eigentümergemeinschaft nur dann in Betracht kommt, wenn keiner der Eigentümer in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. In solchen Fällen stünde einer Bewilligung der Beihilfe auch nichts im Weg.

Im vorliegenden Fall war jedoch dieser Nachweis – aufgrund der überaus hohen Anzahl an Wohnungseigentümern, die zudem teilweise im Ausland ansässig waren – nicht möglich bzw. nicht erbracht worden.

4. Fazit

Auf den ersten Blick mag diese Entscheidung zu überzeugen. Denn der überwiegende Großteil an Eigentümergemeinschaften besteht aus kleineren Personenkreisen und teilweise auch innerfamiliär.

Insbesondere ist das Argument verständlich, wonach aufgrund der Nachschusspflicht auch sonst alle Eigentümer zur Kostentragung herangezogen werden können.

Unberücksichtigt bleibt dabei aber, dass oftmals gerade in Großstädten ein Wohnkomplex aus Eigentumswohnungen besteht. Dahinter verbirgt sich sodann eine Vielzahl an Eigentümern. Die aktuelle Entscheidung macht es in solchen Konstrukten schlicht unmöglich, Prozesskostenhilfe zu beantragen. Denn ein solventer Eigentümer findet sich darunter meist dann doch. Letztendlich führt diese Entscheidung dazu, dass die solventen Eigentümer die Kostenlast der übrigen Eigentümer zu tragen hätten. Denn Prozesskostenhilfe scheidet dann sehr schnell aus.

Außerdem führt der Bundesgerichtshof zur Nachschusspflicht nicht näher aus. Denn eine solche besteht in der Regel innerhalb der Eigentümergemeinschaft nur quotal, also in Höhe der jeweiligen Eigentumsanteile im Verhältnis zum gesamten Grundstück. Bei der Prozesskostenhilfe führt die Auffassung jedoch zur Alles-oder-Nichts-Lösung.

Letztendlich besteht nun hierzu aber eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die vermutlich auch von den übrigen deutschen Gerichten zukünftig zu vertreten wird.

Deshalb sollte beim Kauf einer Eigentumswohnung umso mehr darauf geachtet werden, welche übrigen Eigentümer sich in der Gemeinschaft befinden. Immerhin kann sich deren Zahlungsfähigkeit nun einmal mehr auf die eigene Kostenlast auswirken.

Haben Sie Fragen zu dieser Entscheidung oder zu anderen Aspekten des Wohnungseigentumsrechts? Gerne können Sie hierzu Kontakt mit uns aufnehmen. Wir stehen beratend zur Seite.