Eltern-Kind-Zentrum in der Wohnungseigentumsanlage

Wie störend ist der Kinderlärm?

Innerhalb einer Wohnungseigentumsanlage ist oft Rücksicht auf andere Bewohner geboten. Das gilt sowohl für die störenden Bewohner, die sich entsprechend zurückhalten sollen, als auch für die übrigen, die gewisse Lärmbelästigungen ertragen müssen.

Viele Einzelheiten zum zulässigen Verhalten können in der Teilungserklärung enthalten sein.

Der Bundesgerichtshof hatte nun kürzlich zu entscheiden, wie es sich bei einem Eltern-Kind-Zentrum innerhalb einer Wohnungsanlage verhält (Urteil vom 13.12.2019, Az.: V ZR 203/18).

1. Der Sachverhalt: Lärm durch Kinder in der Eigentumsanlage

Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. Die Wohnung der Kläger befindet sich im ersten Obergeschoss des Objektes. Geklagt wurde gegen einen Verein, der als solcher eine Einheit im Erdgeschoss anmietete. Streitpunkt war eine etwaige Ruhestörung durch Kinder.

In der Teilungserklärung des Objektes wurde bestimmt, dass das von der Beklagten genutzte Mietobjekt als „Laden mit Lager“ benutzt werden dürfe.

Der Beklagte nutzte die Einheit als Eltern-Kind-Zentrum. Hintergrund des Zentrums war und ist laut Satzung des Vereins, der Isolation von Eltern entgegenzuwirken. Dies sei nämlich für Familien in Großstädten zunehmend ein Problem.

Die Öffnungszeiten des Zentrums gelten montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr. Vormittags findet dort eine Art Mini-Kindergarten für Kinder zwischen 18 und 36 Monaten statt. Montags und Freitags wird der Kurs „Deutsch als Fremdsprache“ für Eltern abgehalten. Nachmittags veranstaltet der Beklagte ein „offenes Spielzimmer“ für Kinder und Familienangehörige mit Kaffee und Kuchen sowie Spielecke und einigen Kinder-Kursen. Samstags treffen sich von 10.30 Uhr bis 12.30 Uhr die „scuola Italiana“ mit Kindern von 4 bis 6 Jahren und einmal monatlich von 13 Uhr bis 16 Uhr eine Pfadfinderinnen-Gruppe.

Außerdem finden unregelmäßig Kinder-Feiern, Flohmärkte oder Vorträge statt.

Kinder

2. Bisheriger Prozessverlauf

Die Kläger klagten gegen den Verein und verlangten die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum. Daneben ging es auch darum, dass auf der Außenfläche vor der Einheit keine Kinderwägen und Fahrräder abgestellt werden sollten. Im Kern wollten die Kläger erreichen, dass die Lärmbelästigung von dieser Einheit reduziert würde.

Das Landgericht München I hat in erster Instanz einen Anspruch auf Unterlassung bejaht. Der Beklagte ging in Berufung vor dem Oberlandesgericht München, doch blieb auch hier erfolglos. Mit der Revision zum Bundesgerichtshof verfolgt der Beklagte sein Vorhaben weiter.

3. Die Entscheidung: Lärm durch Kinder ist erlaubt!

Der Bundesgerichtshof war anderer Auffassung als die Vorinstanzen und hat nun der Revision des Beklagten stattgegeben. Zumindest in der Hauptsache, nämlich die Unterlassung der Nutzung als Eltern-Kind-Zentrum, sah er den Beklagten im Recht. Hinsichtlich der Störungen in den Außenflächen sowie etwaiger Lärmbelästigungen muss nun das Oberlandesgericht – wegen der abweichenden Entscheidung im Hauptantrag – neu entscheiden.

Ein Wohnungseigentümer kann generell gemäß § 1004 Abs. 1 BGB Unterlassung verlangen, wenn dieser die Einheit anders nutzt als in der Teilungserklärung vorgesehen. Das gilt zwar dann nicht, wenn die tatsächliche Nutzung nicht mehr stört als die erlaubte Nutzung. Geräusche, die von einem Eltern-Kind-Zentrum ausgehen, sind aber typischerweise lauter und störender als die eines Ladens mit Lager. Dies würde zunächst für einen Anspruch auf Unterlassung sprechen.

Der Bundesgerichtshof verneint einen Anspruch aber trotzdem.

Nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sind nämlich Geräusche, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen oder ähnlichen Einrichtungen ausgehen, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung. Dies liegt daran, dass „Kinderlärm“ generell durch Gesetz und Rechtsprechung privilegiert behandelt wird. Das müsste man auch bei der Prüfung, ob die Nutzung von der Teilungserklärung gedeckt sei, berücksichtigen. Dass die Teilungserklärung bedeutend älter ist als das Bundesimmissionsschutzgesetz, spielt dabei keine Rolle.

Anders könnte man es nur sehen, wenn die Nutzung komplett im Widerspruch zur vorgesehenen Nutzung stünde. So wäre es beispielsweise bei einem konzipierten Ärztehaus, da hier auch der professionelle Charakter des Gebäudes leiden würde.

Das Eltern-Kind-Zentrum fällt ebenfalls unter eine solche Bevorzugung. Dem steht nicht entgegen, dass dort auch Erwachsenen-Kurse angeboten werden. Das Hauptaugenmerk der Einrichtung ist und bleibt die Frühförderung der Kinder.

4. Fazit

Die Entscheidung mag an manchen Stellen auf Verwunderung stoßen. Immerhin besagt die Teilungserklärung eindeutig, welche Nutzung zugelassen ist (und im Umkehrschluss daraus, welche eben gerade nicht).

Allerdings ist die Rechtsprechung in vielerlei Hinsicht seit geraumer Zeit äußerst kinderfreundlich und privilegiert ausdrücklich jeglichen „Lärm“, der von Kindern ausgeht bzw. mit Einrichtungen für Kinder in Verbindung steht. Insofern ist vor diesem Hintergrund die Entscheidung nur konsequent.

Für die Bewohner des Hauses ist dies, falls diese sich von der Einrichtung gestört fühlen, natürlich nur ein geringer Trost. Immerhin sah man sich aufgrund der Teilungserklärung auf der sicheren Seite.

Hier wird aber aufgrund der Bevorzugung zu Gunsten von Familien und Kindern für die Zukunft nur eine Änderung bzw. Verschärfung der Teilungserklärung helfen. Ob dies von der Mehrheit der Eigentümer gewollt sein wird, bleibt fraglich. Immerhin empfinden viele Menschen „Kinderlärm“ nicht als derart störend.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu einem anderen Thema bezüglich Wohnungseigentum? Gerne können Sie sich hierzu mit uns in Verbindung setzen. Wir sind als Kanzlei unter anderem auf Probleme im Rahmen des WEG spezialisiert. Wir helfen Ihnen gern!


Tina Turner – Original oder Double?

Popstar klagt in Deutschland

Das Landgericht Köln hatte kürzlich über Werbemaßnahmen zu entscheiden, in welchen eine weitaus jüngere Darstellerin dem Popstar zum verwechseln ähnlich sieht. Streitfrage war, ob eine solche Tätigkeit rechtmäßig sei oder nicht.

1. Der Sachverhalt

Kürzlich ist Tina Turner 80 Jahre alt geworden. Anlässlich dieses Ereignisses ist derzeit eine sogenannte Tribute Show in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Tour. In dieser Show tritt eine Darstellerin, Coco Fletcher, als Tina Turner auf. Diese will ihr genaues Alter nicht verraten. Rein optisch scheint sie aber um viele Jahre jünger zu sein als der Popstar selbst.

Auf sämtlichen Plakaten zur Werbung für die Konzerttournee ist die Darstellerin abgebildet, die auf den jeweiligen Plakaten große Ähnlichkeit mit der echten Tina Turner aufweist.

Popstar Tina Turner

2. Das Verfahren: Popstar gegen Veranstalter

Der Popstar klagte gegen derartige Werbemaßnahmen. Sie war der Auffassung, man könnte meinen, dass sie selbst an dem beworbenen Musical teilnehme. Sie sah darin eine unzulässige Verwechslungsgefahr.

Der Veranstalter der Show war da anderer Meinung. Er gab zu bedenken, dass man das Musical bereits vielfach aufgeführt habe. Bislang habe sich kein Zuschauer darüber beschwert, dass nicht die echte Tina Turner aufgetreten sei.

Das Landgericht Köln hatte deshalb zu entscheiden, ob derartige Werbemaßnahmen noch zulässig sind (Urteil vom 22.01.2020, Aktenzeichen 28 O 193/19).

3. Die Entscheidung zu Gunsten des Popstars

Das Landgericht folgte jedoch der Auffassung des echten Popstars.

Werbemaßnahmen für Konzerte und Musical sind zwar grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt.

Es kommen hier nach Auffassung des Gerichts drei Dinge zusammen. Erstens lebt die Künstlerin noch. Damit könnte tatsächlich eine Verwechslung bei Besuchen auftreten. Zweitens steht ihr Name auf dem Plakat, sodass nicht von vornherein klar ist, ob das Original oder ein Double auftrete. Und drittens ist auf dem Plakat eine Person zu sehen, die Tina Turner zumindest extrem ähnlich sieht. Dass es sich dabei nicht um die echte Sängerin, sondern um ein Double handele, ist irrelevant. Anhand des Bildes könnte man dies falsch verstehen.

Zusammengenommen sind diese Punkte zu viel und könnten tatsächlich zu einer Verwechslung führen.

Hier ist deshalb eine Abwägung zugunsten der Namens- und Bildrechte von Tina Turner ausgefallen.

Der Tournee Veranstalter habe nach Auffassung des Gerichts nicht das Recht, ein potentielles Publikum über die Mitwirkung des Popstars zu täuschen. Darauf ob tatsächlich eine Verwechslung aufgetreten sei, käme es nicht an.

4. Fazit

Der nun entschiedene Fall ist tatsächlich kein Einzelfall. Bereits einige andere Stars gingen dagegen vor, dass mit ihrem Namen Geld gemacht würde.

Selbstverständlich ist hier zu berücksichtigen, dass es um eine Tribute Show geht, bei welcher das Lebenswerk des Popstars auf die Bühne transportiert werden soll. Nichtsdestotrotz dürfen dabei aber keine Werbemaßnahmen vorgenommen werden, die objektiv zu einer falschen Einschätzung bei möglichen Besuchern oder Interessenten führen können.

Letztlich wird die Beantwortung dieser rechtlichen Frage aber stets unklar bleiben. Denn ob nun tatsächlich eine Verwechslungsgefahr vorliegt, liegt immer im Auge des Betrachters. Auch das Landgericht Köln kann hier natürlich nur wie immer in gerichtlichen Verfahren eine rein subjektive Einschätzung abgeben.

Ob der Veranstalter gegen das Urteil Berufung einlegen wird, ist noch nicht bekannt.

Tatsächlich hat der Veranstalter im Vorgriff auf die Entscheidung aber bereits das Plakat angepasst, indem dort ein Zusatz angebracht wurde. Ergänzt wurde das Werbeplakat mit der Information „darin Dorothea Coco Fletcher“, um deutlich zu machen, dass nicht die echte Tina Turner beim Musical dabei sei.

Eine interessante und zudem lesenswerte Entscheidung, gerade für Fans des US Superstars.

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