Flugverspätung – Ersatz anwaltlicher Gebühren

Ihre Rechte als Fluggast.

Eine Flugverspätung ist meist ärgerlich und kommt öfter vor, als man glaubt. Da die gesetzlichen Regelungen in solchen Fällen zumeist nicht bei allen Fluggästen bekannt sind, bedarf es häufig anwaltlicher Unterstützung bei der Geltendmachung einer Forderung.

Jedoch möchte ein Fluggast dann selbstredend auch die Kosten im Rahmen eines Verfahrens erstattet verlangen.

Der BGH bestätigte nun erneut seine Auffassung zum Ersatz der anwaltlichen Gebühren.

1. Der Fall

Ein Urlauber flog mit seiner Familie nach Kuba. Die Flüge hatten jedoch eine mehrstündige Verspätung, sodass die Reisenden das Ziel erst einen Tag verspätet erreichten. Eine ordnungsgemäße Aufklärung über ihre Rechte erhielten die Reisenden nach deren Auffassung nicht. Diese suchten anschließend Hilfe bei einem Rechtsanwalt, welcher außergerichtlich eine Entschädigung vom Luftfahrtunternehmen verlangte. Die Forderung beinhaltete neben einer Ausgleichsleistung wegen der Flugverspätung auch die vorgerichtlichen Anwaltskosten.

Jedoch blieb die Sache außergerichtlich ohne Erfolg, sodass die Urlauber schließlich vor Gericht zogen.

 

2. Das Verfahren

Im Verfahren vor dem Amtsgericht Düsseldorf erkannte das Luftfahrtunternehmen die Forderung an und beglich die Ausgleichszahlung wegen der Flugverspätung. Es verweigerte jedoch den Ersatz der Anwaltskosten. Das Gericht wies die Klage der Urlauber bezüglich der vorgerichtlichen Anwaltskosten ab. Auch die weitere Instanz, nämlich das Landgericht Düsseldorf, sprach diese Kostenforderung nicht zu und stellte sich auf die Seite des Luftfahrtunternehmens. Die Urlauber wandten sich sodann an den Bundesgerichtshof – mit Erfolg.

3. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 01.09.2020 (Aktenzeichen X ZR 97/19) entschieden, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Verpflichtung nicht vollständig nachgekommen sei.

Airlines sind dazu verpflichtet, bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden ihren Gästen unaufgefordert eine schriftliche Information über deren Rechte auszuhändigen. Dies soll den Zweck haben, dass der Fluggast seine Ansprüche eigenständig und ohne anwaltliche Hilfe beurteilen kann.

Kommt die Airline dieser Verpflichtung jedoch nicht nach – wie hier – dann sind die Kosten einer anwaltlichen Hilfe zu ersetzen.

Die Verpflichtung, über die entsprechenden Rechte zu informieren, ergibt sich aus Art. 14 Abs. 2 der Fluggastrechteverordnung selbst. Demgemäß muss ein Fluggast einen schriftlichen Hinweis über die Regeln von Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen bei Flugverspätungen bzw. -annullierungen erhalten.

Dabei reicht es nicht aus, den bloßen Text der Fluggastrechteverordnung wiederzugeben. Vielmehr muss dadurch für den Fluggastrecht klargestellt werden, unter welchen Voraussetzungen ihm grundsätzlich Ansprüche in welcher Höhe zustehen.

Ein Unternehmen muss auch die Kosten einer vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts erstatten. Das zumindest dann, wenn ein Ausgleichsanspruch besteht und das Luftfahrtunternehmen hierüber nicht bzw. nicht vollständig oder ordnungsgemäß belehrt. Denn dann ist zumutbar und nicht zu beanstanden, dass er sich anwaltlicher Hilfe bedient. Immerhin muss er sich dann noch über seine Rechte beraten lassen.

Vor diesem Hintergrund sprach der BGH auch in diesem Fall einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten zu.

4. Fazit

Seit längerer Zeit ist dies bereits gängige Praxis bei vielen Gerichten. Nun hat jedoch auch der Bundesgerichtshof dies erneut bestätigt.

Dies stärkt die Rechte von Reisenden nicht unwesentlich. Dadurch ist einmal mehr sichergestellt, dass einem Reisenden am Ende kein Schaden verbleibt.

Sollten Sie Fragen haben, können Sie sich gerne mit unserer Kanzlei in Verbindung setzen.


Neuigkeiten zum Reiserecht

Airline haftet auch für nicht von ihr veranstaltete Teilflüge

Bereits seit vielen Jahren profitieren europäische Flugreisende von der Fluggastrechte-Verordnung. Bei Verspätung oder Annullierung kann man über diese Regelungen leicht eine finanzielle Erstattung erhalten. Doch gerade deshalb treten immer wieder „Schlupflöcher“ auf, durch die sich Fluggesellschaften aus der Affäre ziehen konnten. Wir möchten anlässlich der Hauptreisezeit August auf eine aktuelle Entscheidung eingehen.

1. Problemaufriss: Haftung der Airline bei Teilflügen

Ein Anspruch nach der Fluggastrechte-Verordnung steht einem Reisenden nur gegenüber der ausführenden Airline zu. Damit ist die Fluggesellschaft gemeint, die im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast einen Flug durchführt.

Problematisch wird dies dann, wenn für einen Reisenden die ausführende Airline nicht mehr auf Anhieb erkennbar ist. Heutzutage gibt es diverse Möglichkeiten für Luftfahrtunternehmen, durch Zusammenarbeit Kosten zu sparen. Beim sogenannten „Codesharing“ teilen sich mehrere Fluggesellschaften einen Linienflug, vergeben aber beide eine eigene Flugnummer.

Gerade bei der Buchung von weiten Strecken bestehen die Flüge in der Regel aus mehreren Teilstrecken. Aus Kostengründen ist es dann oft sinnvoll für Airlines, entsprechende Kooperationen einzugehen.

Bislang haben Fluggesellschaften bei Verspätungen argumentiert, dass jeweils die andere Airline hierfür zuständig sei. Für Fluggäste war dies teils unverständlich. Insbesondere dann, wenn die Buchung über eine einzige Airline erfolgte.

Dem schob nun der Gerichtshof der Europäischen Union einen Riegel vor.

2. Der Fall

 

In der Sache ging es um einen Flug von Prag über Abu Dhabi nach Bangkok. Die Buchung erfolgte einheitlich bei einem tschechischen Luftfahrtunternehmen. Die erste Teilstrecke erbrachte ein tschechisches Unternehmen entsprechend dem Flugplan. Die zweite Teilstrecke führte jedoch zu einer Verspätung am Zielort von ca. acht Stunden. Erbracht hat dieses Teilstück eine Airline mit Sitz außerhalb der EU.

Durch diese Verspätung besteht an sich ein Anspruch auf Erstattung nach der Fluggastrechte-Verordnung. Das tschechische Unternehmen hat die Verspätung jedoch nicht verursacht. Hingegen fällt die zweite Airline als außereuropäisches Unternehmen nicht unter die diese Verordnung.

3. Das Verfahren

Die Fluggäste sahen das tschechische Unternehmen in der Pflicht und erhoben Klage in Tschechien. Die Airline argumentierte, dass der Flug, der die Verspätung verursachte, von einem anderen Unternehmen durchgeführt worden sei. Dafür könne man sie nicht in Haftung nehmen. In zweiter Instanz rief das Stadtgericht Prag den Europäischen Gerichtshof an, ob dies richtig sei.

4. Die Entscheidung zu Lasten der Airline

Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen eine Gesamtheit darstellt, wenn dieser einheitlich gebucht wurde. Startet also der erste Flug innerhalb der EU, fällt auch der zweite Teil in den Anwendungsbereich der Verordnung. Dies auch dann, wenn dieser außerhalb der EU startet.

Richtig sei zwar, dass ausschließlich ein ausführendes Unternehmen zu Ausgleichszahlungen verpflichtet werden könne. Das tschechische Unternehmen hat aber mit den Fluggästen einen Beförderungsvertrag geschlossen und tatsächlich einen Flug durchgeführt. Deshalb gelte es als ausführendes Unternehmen.

Da der gesamte Flug Gegenstand einer einheitlichen Buchung war, bleibt die Fluggesellschaft in der Haftung. Nur weil der Flug mit der Verspätung von einem anderen Unternehmen durchgeführt wurde, kann sich die Airline nicht darauf berufen.

Immerhin sieht die Verordnung auch vor, dass ein Ausgleich unter den Fluggesellschaften stattfindet. Insofern kann sich die jeweilige Airline im sogenannten Innenverhältnis auch an die jeweilige Partnergesellschaft wenden, um dort Ersatz zu erhalten.

5. Fazit

Diese Entscheidung war längst überfällig, um Klarheit zu schaffen. Fälle wie der vorliegende treten mittlerweile häufig auf. Die finanzielle Belastung für Airlines wegen Annullierungen oder Verspätungen nimmt spürbar zu. Es wird also überall nach Möglichkeiten gesucht, einen Anspruch zu verneinen. Gerade die internationale Zusammenarbeit unter den Airlines bot dabei einen ausgiebigen Nährboden.

Umso erfreulicher ist es, dass in diesem Punkt zugunsten der Verbraucher entschieden wurde.

Dies leuchtet aber auch ein. Jede andere Lösung ist für Fluggäste nicht verständlich. Warum soll ein Anspruch gegen ein Drittunternehmen bestehen, wo doch der Vertragspartner eindeutig ist. Oft ist für Verbraucher auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, dass ausführende Gesellschaft eine andere Airline ist.

Demgegenüber ist es für die Fluggesellschaft eine interne Erstattung in der Regel leichter. Diese hat sich immerhin den Partner selbst ausgesucht. Jede andere Einschätzung würde das finanzielle Risiko, das die Airline begründet, dem einzelnen Fluggast anlasten.

Diese Entscheidung klärt nun eindeutig die Sachlage und vereinfacht damit Ausgleichsansprüche von Fluggästen bei internationalen bzw. außereuropäischen Flügen.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu neuen Entwicklungen im Reiserecht? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf und vereinbaren Sie einen Termin für eine Beratung. Wir unterstützen Sie bei der Geltendmachung Ihrer Rechte!


Flug als Reisevertrag

Wie ist die alleinige Flugreise rechtlich zu qualifizieren?

Im BGB gibt es ein paar Regelungen, die ausschließlich für das Reiserecht gelten. Wer einen Flug bucht, will verreisen. Damit muss dafür doch rein begrifflich bereits das Reiserecht gelten. Oder etwa nicht? Wir klären auf.

1. Der Reisevertrag per Gesetz

In den §§ 651a ff. BGB finden sich einige Vorschriften, die ausschließlich für reiserechtliche Angelegenheiten gelten. Vom Reisevertrag bis hin zur Vermittlung ist hier gesetzlich geregelt, was der Regelung bedarf.

Diese Paragraphen gelten jedoch ausdrücklich nur für Pauschalreiseverträge. Gemäß § 651 a Abs. 1 BGB ist der Anwendungsbereich nur eröffnet, wenn ein solcher Vertrag vorliegt.

Ein Pauschalreisevertrag beinhaltet immer eine Gesamtheit von mindestens zwei verschiedenen Arten von Reiseleistungen für die gleiche Reise (§ 651 a Abs. 2 BGB). Sobald also zwei unterschiedliche Leistungen kombiniert werden, liegt (neben den weiteren Voraussetzungen) ein Reisevertrag im Sinne des BGB vor. Praktisch ist dabei die Kombination aus Flug und Hotel relevant. Natürlich können noch weitere oder auch andere Leistungen im Reisevertrag enthalten sein (z. B. Autovermietung, touristische Leistungen etc.).

Vertragspartner ist dabei immer der Veranstalter, der die jeweilige Gesamtheit der Leistungen anbietet und deren Erbringung schuldet.

Geht es um Ansprüche aus dem Reisevertrag, ist also immer der Veranstalter der richtige Ansprechpartner (nicht beispielsweise die Fluggesellschaft). Davon unabhängig sind mögliche Ansprüche gegenüber demjenigen, der Einzelleistungen erbringt. Meist stehen diese Möglichkeiten nebeneinander. Der Reisende kann wählen, gegen wen er sich wenden möchte. Der Reisende darf nur nicht bereichert werden; deshalb müssen etwaige Erfolge angerechnet werden.

2. Beispiele zum Reisevertrag

 

Beispiel 1:

Ein Reisender bucht Flug und Hotel als Pauschalreise. Der Flug hat zehn Stunden Verspätung. Der Reisende kann sich entweder an den Reiseveranstalter wenden, da der Flug Teil des Reisevertrages war. Alternativ kann er sich auch an die Fluggesellschaft wegen der Verspätung selbst wenden.

Beispiel 2:

Ein Reisender bucht Flug, Hotel und Mietwagen als Pauschalreise ins Ausland. Der Mietwagen ist jedoch defekt. Auch hier kann sich der Reisende sowohl an den Reiseveranstalter als auch an den Autovermieter wenden.

Ein Tipp hierzu:

Wenn es um eine Reise ins Ausland geht, ist es meist leichter, seine Ansprüche gegenüber dem Reiseveranstalter in Deutschland durchzusetzen. Zum einen ist die Durchsetzung von Ansprüchen ins Ausland komplizierter. Zum anderen gelten dabei oftmals andere rechtliche Vorschriften, da die Leistung im Ausland erbracht bzw. geschuldet war.

Anders ist dies lediglich dann, wenn es um die Annullierung oder Verspätung eines Fluges geht. Dann nämlich sieht die Europäische Fluggastrechteverordnung besondere Ansprüche zu, die in der Regel mehr gewähren als das deutsche Reiserecht. Dann ist es immer besser, sich an die jeweilige Fluggesellschaft zu wenden, um den höheren Anspruch geltend zu machen.

Ein doppeltes Vorgehen wird sich kaum lohnen. Denn solche Ansprüche stehen immer nur einfach zu. Gerade Erstattungen wären anzurechnen, sodass nicht der gleiche Betrag vom Leistungsträger im Ausland bzw. der Airline und zusätzlich vom Reiseveranstalter zu bezahlen ist. Die Gegner können dabei bereits erbrachte Leistungen immer anrechnen.

3. Der Einzelflug

Aus dem Vorbenannten kann man also schließen, dass bei der Buchung von Einzelleistungen die gesetzlichen Regelungen zum Pauschalreisevertrag nicht greifen.

Häufig mag es vorkommen, dass allein ein Flug mit einer Airline gebucht wird. Da es um eine Flugreise geht, meinen Passagiere, dass es sich dabei auch um einen Reisevertrag gemäß §§ 651a ff BGB handelt. Die Ansprüche, die im Zusammenhang mit dem Flug allein entstehen, sind jedoch anderweitig geregelt.

4. Rechtliche Einordnung

Da nun feststeht, dass der Flugvertrag kein Pauschalreisevertrag ist, stellt sich die Frage, wie er rechtlich zu kategorisieren ist. Davon hängt nämlich ab, welche Rechte dabei bestehen.

Wer einen Flug mit einem Luftfahrtunternehmen bucht, möchte dadurch folgendes erreichen:

  • Beförderung vom Ort A nach Ort B sowie
  • Beförderung des mitgebrachten Gepäcks gegen
  • Bezahlung des angegebenen Reisepreises.

Dabei wird es dem Reisenden selten auf bestimmte Gegebenheiten während des Fluges ankommen. Relevant ist lediglich, dass der Reisende mit seinem Gepäck zum vereinbarten Termin an Ort B ankommt.

Daraus folgt unweigerlich, dass es sich bei einem Flugvertrag mit der Airline um einen sogenannten Werkvertrag handelt (§§ 631 ff. BGB). Der Erfolg – nämlich die Ankunft am Zielort – ist wesentlicher Bestandteil des Vertrages. Andere Beispiele für Werkverträge sind Reparaturverträge oder auch die Herstellung eines Gegenstandes. Demgegenüber wäre bei einem Dienstvertrag nicht der Erfolg, sondern vielmehr die Dienstleistung auf dem Weg dorthin entscheidend. Dies ist beispielsweise bei Arbeitsverhältnissen oder Behandlungsverträgen mit Ärzten der Fall.

5. Konsequenzen

Durch diese Einordnung ist klar, dass sich sämtliche Rechte und Pflichten aus einem Flugvertrag nach den §§ 631 ff. BGB richten. Um nur ein paar Besonderheiten zu nennen:

  • Das Flugunternehmen schuldet sowohl rechtzeitigen Abflug als auch rechtzeitige Ankunft. Dies ist nicht unerheblich für Entschädigungsansprüche. Hierüber haben wir bereits in unserem Beitrag vom November 2017 berichtet.
  • Ein Werkvertrag kann jederzeit gekündigt werden (im Gegensatz zu Arbeitsverhältnissen beispielsweise). Dadurch darf ein Flugunternehmen nur den Teil des Reisepreises einbehalten, den diese sich selbst nicht ersparen konnten.
  • Das Flugunternehmen kann bei Buchung eine Anzahlung des Reisepreises verlangen.
  • Bei mangelhafter Leistung durch das Flugunternehmen kann der Reisende Gewährleistungsrechte geltend machen.

Wichtig ist dabei aber, besonders darauf zu achten, aus welcher rechtlichen Grundlage das bestmögliche Ergebnis erzielt werden kann.

Gerade bei Flugverspätungen oder Annullierungen bietet die Europäische Fluggastrechteverordnung meist positivere Ergebnisse als das innerdeutsche Zivilrecht.

Sie haben Fragen zu dieser Thematik oder zu reiserechtlichen Fragen. Gerne können Sie sich hierzu telefonisch oder per E-Mail mit unserer Kanzlei in Verbindung setzen.


Ärger bei Flugverspätung

Anspruch auf Entschädigungsleistung oder nicht!?

Immer wieder beschäftigen deutsche Gerichte Streitigkeiten im Reiserecht wegen Flugverspätungen. Denn hier werden teilweise nicht unerhebliche Ausgleichszahlungen fällig. Im November 2017 hatten wir bereits die rechtlichen Hintergründe dazu dargestellt.

Doch oft behauptet ein Flugunternehmen dann außergewöhnliche Umstände, die einen Ausgleichsanspruch ausschließen würden. Jetzt schaffte es ein solcher Fall sogar bis vor den Europäischen Gerichtshof.

1. Der Fall

Der Kläger hatte bei der Airline Germanwings einen Flug von Dublin nach Düsseldorf gebucht. Der Flug fand mit einer Ankunftsverspätung von ca. 3,5 Stunden statt. Der Passagier verlangte daraufhin eine Ausgleichszahlung und berief sich dabei auf die europäische Fluggastrechteverordnung (EG) 261/2004. Das Luftfahrtunternehmen lehnte jedoch die Zahlung ab. Begründet hatte diese es damit, dass die Verspätung auf die Beschädigung eines Flugzeugreifens durch eine Schraube auf der Start- oder Landebahn zurückzuführen sei. Dieser außergewöhnliche Umstand schließe einen Ausgleichsanspruch nach der europäischen Verordnung aus.

2. Bisheriger Prozess

Da man keine außergerichtliche Einigung erzielen konnte, legte der Passagier beim Landgericht Köln Klage ein.

Das zuständige Gericht beschloss jedoch, die Sache dem Europäischen Gerichtshof direkt zur Vorabentscheidung vorzulegen.

3. Die Entscheidung zur Schraube

Laut Gerichtshof kommt es entscheidend darauf an, ob das Luftfahrtunternehmen alles Zumutbare unternommen hat, um die Verspätung zu vermeiden. Eine Airline muss also beim Eintritt besonderer Umstände alle für die Situation erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Dabei sind alle personellen, materiellen und finanziellen Mittel entscheidend. Welche Mittel jeweils erforderlich sind, hängt von der Art der außergewöhnlichen Umstände ab. Untragbare Opfer seien der Airline aber nicht zuzumuten. Vielmehr müssten die Erwartungen im Verhältnis zu den jeweiligen Kapazitäten stehen. Dabei genügt es auch, wenn die Verspätung auch dann nicht vermieden hätte werden können, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Gelingt es der Airline, dies zu beweisen, so sei diese auch nicht verpflichtet, die entsprechenden Ausgleichszahlungen zu leisten.

Außergewöhnliche Umstände seien grundsätzlich Vorkommnisse, die ihrer Natur nach nicht zum üblichen Tätigkeitsbereich der Airline gehören. Da sie nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens seien, könnte diese derartiges auch nicht beherrschen. Zwar seien Airlines regelmäßig mit Reifenschäden von Flugzeugen konfrontiert; allerdings sei ein Fremdkörper auf dem Rollfeld des Flughafens nicht mehr Teil der normalen Tätigkeit einer Airline. Wenn es ausschließlich dadurch zu einem Reifenschaden kommt, sei dies ein nicht mehr beherrschbarer Zustand.

Vor diesem Hintergrund sei die Kollision mit einer Schraube auf der Startbahn ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne der Fluggastrechteverordnung.

Entscheidend komme es aber darauf an, ob die Airline tatsächlich alles ihr Mögliche unternommen habe. Insbesondere führt ein Fremdkörper auf der Fahrbahn nicht gleich zu einer erheblichen Flugverspätung. Vielmehr könne man gerade Reifenschäden unter Umständen verhältnismäßig schnell beheben. Als zumutbar sieht der EuGH beispielsweise eine vertragliche Vereinbarung für jeden Flughafen an, wonach ein kurzfristiger Austausch eines Reifens möglich wird (Entscheidung des EuGH vom 04.04.2019, Az.: C-501/17).

4. Fazit: Schraube als außergewöhnlich?

Zwar ist die Begründung des Europäischen Gerichtshofes an sich nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht zu leugnen, dass ein Luftfahrtunternehmen nicht sämtliche Umstände auf dem Flughafengelände beherrschen kann. Dies liegt vor allem daran, dass der Flughafenbereich stets von anderen Betreibern zur Verfügung gestellt wird. Ob ein Gegenstand wie eine Schraube auf der Startbahn liegt, kann deshalb kaum kontrolliert werden.

Jedoch verbleiben Zweifel, wohin diese Rechtsauffassung führen könnte.

Denn letztlich steht dem gegenüber, dass außergewöhnliche Umstände nur bei wirklich unerwarteten Situationen bejaht werden sollten. So wurde dies in der Rechtsprechung häufig mit dem deutschen Begriff der „höheren Gewalt“ gleichgesetzt und beispielsweise bei witterungsbedingten Flugausfällen angenommen. Eine Schraube auf der Startbahn ist damit kaum vergleichbar.

Mittlerweile scheint eine Tendenz zur weitaus breiteren Auslegung dieses Begriffs erkennbar. In unserem Beitrag vom 01. März hatten wir über eine Entscheidung berichtet, in der bei einem Systemausfall am Flughafen ähnlich entschieden wurde.

Dass dadurch die Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen für Fluggäste immer schwieriger wird, ist eindeutig. Immerhin liegen den Passagieren bis zur Geltendmachung oft keine Informationen vor, woran die Annullierung oder Verspätung nun gelegen hat. Dann muss erst eine außergerichtliche Korrespondenz geführt werden, um zu erfahren, dass womöglich kein Anspruch besteht.

Aus unserer Sicht wäre naheliegend, „außergewöhnliche Umstände“ auch wirklich nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Dies würde aber eine restriktive Auslegung des Begriffes erfordern.

Offenbar will aber die Rechtsprechung von der sehr verbraucherfreundlichen Fluggastrechteverordnung nun wieder etwas zu Gunsten der Unternehmen abweichen.

Dies ist schade, da ohnehin aufgrund der „Insolvenzwelle“ der Airlines viele Ansprüche nicht mehr durchsetzbar sind. Womöglich ist aber gerade dies der Auslöser für die Wendung in der Rechtsprechung.

Haben Sie Fragen zu dieser Entscheidung oder zu anderen reiserechtlichen Themen? Nehmen Sie dazu gerne telefonisch oder per E-Mail Kontakt zu uns auf und vereinbaren Sie einen Termin für eine Beratung. Wir helfen Ihnen gerne.


Neues zum Reiserecht

Kein Ausgleichsanspruch bei Systemausfall am Flughafen

In einem früheren Betrag hatten wir über die Möglichkeit eines Ausgleichsanspruchs berichtet, wenn ein Flug eine erhebliche Verspätung hat. Je nach Entfernung und Hintergrund der Verspätung steht einem Reisenden eine Entschädigung zu. Dies soll pauschal die Unannehmlichkeiten abgelten, die mit der verspäteten Ankunft am Zielort verbunden sind.

Kürzlich hatte der Bundesgerichtshof hierzu einen interessanten Fall zu entscheiden.

1. Der Fall

In zwei Fällen wurde eine Reise von New York nach London mit Anschlussflug nach Stuttgart gebucht. Die Flüge von New York nach London starteten verspätet und landeten mehr als zwei Stunden zu spät am Zielort. Infolgedessen erreichten die Reisenden Ihren Anschlussflug in London nicht. Sie kamen deshalb erst mit einer Verspätung von mehr als neun Stunden in Stuttgart an. In beiden Fällen verlangten die Klägerinnen einen Ausgleichsanspruch in Höhe von jeweils 600,00 Euro.

2. Bisheriger Prozess

In erster Instanz blieben die Klägerinnen erfolglos. Auch im Rahmen der Berufung wurden die Klagen abgewiesen.

Die Verspätung war auf einen Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern am Flughafen in New York zurückzuführen. Hintergrund war ein Streik bei dem Unternehmen, das für die Telekommunikationsleitungen gegenüber dem Flughafenbetreiber verantwortlich war. Der Systemausfall konnte erst nach 13 Stunden behoben werden.

Mit der Revision wandten sich die Klägerinnen nun an den Bundesgerichtshof.

3. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof gab jedoch den Vorinstanzen Recht. In beiden Fällen wurde die Revision der Klägerinnen zurückgewiesen (Urteil vom 15. Januar 2019, Az.: X ZR 15/18 und X ZR 85/18).

Das Berufungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass ein mehrstündiger Ausfall aller Computersysteme an den Abfertigungsschaltern außergewöhnliche Umstände begründe. In einem solchen Fall sei aber ein Ausgleichsanspruch wegen Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung ausgeschlossen.

Der Betrieb der technischen Einrichtungen eines Flughafens obliegt grundsätzlich dem Flughafenbetreiber. Der Systemausfall beruhte aber auf einem technischen Defekt. Ein solches Ereignis wirkt von außen auf den Flugbetrieb einer Airline ein und beeinflusst deren Tätigkeit. Ein solches Vorkommnis ist letztlich von einem Luftverkehrsunternehmen nicht zu beherrschen. Immerhin fällt die Überwachung, Wartung und Reparatur von Telekommunikationsleitungen nicht in dessen Verantwortungsbereich.

Zudem half bei der Entscheidung die Argumentation in den Vorinstanzen. Demnach habe die Beklagte durch eine manuelle Abfertigung in New York alle ihr zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Beeinträchtigungen gering zu halten.

4. Fazit

Eine, wie wir finden, interessante Entscheidung, die im Reiserecht seitens des BGH erging.

Diejenigen, die die rechtlichen Anforderungen an eine Entschädigungszahlung nach der Fluggastrechteverordnung kennen, gehen meist davon aus, dass dem ohnehin nichts entgegenzuhalten sei.

Lediglich Fälle höherer Gewalt (z. B. wetterbedingte Verspätung, Streik oder Terrorgefahren) sind als Ausnahmen hierzu bekannt. Dass in solchen Fällen außergewöhnliche Umstände angenommen werden und deshalb keine Ausgleichszahlung erfolgen muss, wird weitläufig akzeptiert.

Nun liegt in der aktuellen Entscheidung eine neue Konstellation, welche vergleichbar gehandhabt wird. Auch technische Defekte am Flughafen selbst können also außergewöhnliche Umstände darstellen, die die Entschädigungsleistung entfallen lassen.

Im ersten Moment mag dies überraschen, da für Reisende kaum ein Unterschied besteht, ob nun ein technischer Defekt am Flughafen oder am Flugzeug besteht.

Bei genauerer Betrachtung ist die Argumentation aber durchaus einleuchtend.

Immerhin werden durch die Fluggastrechteverordnung Airlines zur pauschalen Entschädigung verpflichtet, ohne dass es hierfür eines finanziellen Schadens von Reisenden bedarf. Liegt der technische Defekt am Flugzeug selbst, also im Machtbereich der Airline, so scheint eine Ausgleichszahlung vollkommen gerechtfertigt.

Die Gerätschaften am Terminal stehen jedoch in der Regel im Eigentum des Flughafenbetreibers, sodass deren Funktionalität durch die Airline gar nicht beeinflusst werden kann. Würde man in solchen Fällen zu einem Ausgleichsanspruch kommen, würde dies das Luftverkehrsunternehmen unangemessen benachteiligen.

Sollten Sie Fragen zu dieser Entscheidung oder zu anderen reiserechtlichen Fragen haben, können wir Ihnen hierbei gerne behilflich sein. Nehmen Sie dazu am besten telefonisch oder per E-Mail Kontakt mit uns auf und vereinbaren Sie einen Beratungstermin. Selbstverständlich kann ein Beratungsgespräch auf Ihren Wunsch hin auch telefonisch stattfinden. Wir helfen Ihnen gerne!