Neuigkeiten zum Reiserecht

Airline haftet auch für nicht von ihr veranstaltete Teilflüge

Bereits seit vielen Jahren profitieren europäische Flugreisende von der Fluggastrechte-Verordnung. Bei Verspätung oder Annullierung kann man über diese Regelungen leicht eine finanzielle Erstattung erhalten. Doch gerade deshalb treten immer wieder „Schlupflöcher“ auf, durch die sich Fluggesellschaften aus der Affäre ziehen konnten. Wir möchten anlässlich der Hauptreisezeit August auf eine aktuelle Entscheidung eingehen.

1. Problemaufriss: Haftung der Airline bei Teilflügen

Ein Anspruch nach der Fluggastrechte-Verordnung steht einem Reisenden nur gegenüber der ausführenden Airline zu. Damit ist die Fluggesellschaft gemeint, die im Rahmen eines Vertrages mit einem Fluggast einen Flug durchführt.

Problematisch wird dies dann, wenn für einen Reisenden die ausführende Airline nicht mehr auf Anhieb erkennbar ist. Heutzutage gibt es diverse Möglichkeiten für Luftfahrtunternehmen, durch Zusammenarbeit Kosten zu sparen. Beim sogenannten „Codesharing“ teilen sich mehrere Fluggesellschaften einen Linienflug, vergeben aber beide eine eigene Flugnummer.

Gerade bei der Buchung von weiten Strecken bestehen die Flüge in der Regel aus mehreren Teilstrecken. Aus Kostengründen ist es dann oft sinnvoll für Airlines, entsprechende Kooperationen einzugehen.

Bislang haben Fluggesellschaften bei Verspätungen argumentiert, dass jeweils die andere Airline hierfür zuständig sei. Für Fluggäste war dies teils unverständlich. Insbesondere dann, wenn die Buchung über eine einzige Airline erfolgte.

Dem schob nun der Gerichtshof der Europäischen Union einen Riegel vor.

2. Der Fall

Airline

In der Sache ging es um einen Flug von Prag über Abu Dhabi nach Bangkok. Die Buchung erfolgte einheitlich bei einem tschechischen Luftfahrtunternehmen. Die erste Teilstrecke erbrachte ein tschechisches Unternehmen entsprechend dem Flugplan. Die zweite Teilstrecke führte jedoch zu einer Verspätung am Zielort von ca. acht Stunden. Erbracht hat dieses Teilstück eine Airline mit Sitz außerhalb der EU.

Durch diese Verspätung besteht an sich ein Anspruch auf Erstattung nach der Fluggastrechte-Verordnung. Das tschechische Unternehmen hat die Verspätung jedoch nicht verursacht. Hingegen fällt die zweite Airline als außereuropäisches Unternehmen nicht unter die diese Verordnung.

3. Das Verfahren

Die Fluggäste sahen das tschechische Unternehmen in der Pflicht und erhoben Klage in Tschechien. Die Airline argumentierte, dass der Flug, der die Verspätung verursachte, von einem anderen Unternehmen durchgeführt worden sei. Dafür könne man sie nicht in Haftung nehmen. In zweiter Instanz rief das Stadtgericht Prag den Europäischen Gerichtshof an, ob dies richtig sei.

4. Die Entscheidung zu Lasten der Airline

Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass ein Flug mit ein- oder mehrmaligem Umsteigen eine Gesamtheit darstellt, wenn dieser einheitlich gebucht wurde. Startet also der erste Flug innerhalb der EU, fällt auch der zweite Teil in den Anwendungsbereich der Verordnung. Dies auch dann, wenn dieser außerhalb der EU startet.

Richtig sei zwar, dass ausschließlich ein ausführendes Unternehmen zu Ausgleichszahlungen verpflichtet werden könne. Das tschechische Unternehmen hat aber mit den Fluggästen einen Beförderungsvertrag geschlossen und tatsächlich einen Flug durchgeführt. Deshalb gelte es als ausführendes Unternehmen.

Da der gesamte Flug Gegenstand einer einheitlichen Buchung war, bleibt die Fluggesellschaft in der Haftung. Nur weil der Flug mit der Verspätung von einem anderen Unternehmen durchgeführt wurde, kann sich die Airline nicht darauf berufen.

Immerhin sieht die Verordnung auch vor, dass ein Ausgleich unter den Fluggesellschaften stattfindet. Insofern kann sich die jeweilige Airline im sogenannten Innenverhältnis auch an die jeweilige Partnergesellschaft wenden, um dort Ersatz zu erhalten.

5. Fazit

Diese Entscheidung war längst überfällig, um Klarheit zu schaffen. Fälle wie der vorliegende treten mittlerweile häufig auf. Die finanzielle Belastung für Airlines wegen Annullierungen oder Verspätungen nimmt spürbar zu. Es wird also überall nach Möglichkeiten gesucht, einen Anspruch zu verneinen. Gerade die internationale Zusammenarbeit unter den Airlines bot dabei einen ausgiebigen Nährboden.

Umso erfreulicher ist es, dass in diesem Punkt zugunsten der Verbraucher entschieden wurde.

Dies leuchtet aber auch ein. Jede andere Lösung ist für Fluggäste nicht verständlich. Warum soll ein Anspruch gegen ein Drittunternehmen bestehen, wo doch der Vertragspartner eindeutig ist. Oft ist für Verbraucher auf den ersten Blick gar nicht ersichtlich, dass ausführende Gesellschaft eine andere Airline ist.

Demgegenüber ist es für die Fluggesellschaft eine interne Erstattung in der Regel leichter. Diese hat sich immerhin den Partner selbst ausgesucht. Jede andere Einschätzung würde das finanzielle Risiko, das die Airline begründet, dem einzelnen Fluggast anlasten.

Diese Entscheidung klärt nun eindeutig die Sachlage und vereinfacht damit Ausgleichsansprüche von Fluggästen bei internationalen bzw. außereuropäischen Flügen.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu neuen Entwicklungen im Reiserecht? Nehmen Sie Kontakt zu uns auf und vereinbaren Sie einen Termin für eine Beratung. Wir unterstützen Sie bei der Geltendmachung Ihrer Rechte!


Rechtsprechung zum Google Playstore

Kein ausreichender Hinweis auf den Verlust des Widerrufsrechts

Das Landgericht Köln hat vor einigen Wochen zum Widerrufsrecht im Google Playstore entschieden. Wer digitale Inhalte gekauft oder ausgeliehen hat, wurde nicht korrekt belehrt. Die Folge daraus: Das Widerrufsrecht besteht oder bestand weiter.

1. Rechtslage zum Google Playstore

Wer als Verbraucher Videos oder Spiele kostenpflichtig digital erwirbt, hat grundsätzlich ein Widerrufsrecht von 14 Tagen. Dies kann nur erlöschen, wenn der Kunde zuvor ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Download beginnen soll. Außerdem muss man Kenntnis darüber besitzen und bestätigen, dass dadurch das gesetzliche Widerrufsrecht verloren geht (§ 356 Abs. 5 BGB). Im Google Playstore habe man das nicht eingehalten. Stattdessen hätten Kunden ihr Widerrufsrecht automatisch verloren.

Vor dem Klick auf den „Kaufen“-Button gab es lediglich den Hinweis, der folgendes besagte:

Google

„Wenn du auf Kaufen klickst, stimmst du den Google-Play-Nutzungsbedingungen zu. Du stimmst außerdem zu, dass diese Bestellung sofort ausgeführt wird und du damit dein gesetzliches Widerrufsrecht verlierst (…).“

2. Verbraucherzentrale gegen Google

Hiergegen hatte die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen geklagt.

Das Landgericht Köln hielt das für unzulässig (Urteil vom 21.05.2019, Az.: 31 O 372/17). Google habe den Nutzer nicht richtig darüber informiert, unter welchen Umständen das zunächst bestehende Widerrufsrecht verloren geht. Der Hinweis vor dem Kaufen-Button reiche allein dafür nicht aus. Man müsse den Verlust des Widerrufsrechts dem Nutzer deutlich vor Augen führen. Mit dem Klick auf „Kaufen“ liegt der Fokus hingegen auf dem Abschluss der Bestellung. Käufer nehmen nämlich nicht wahr, dass sie gleichzeitig dem sofortigen Download zustimmen und das Widerrufsrecht verlieren.

Das Gericht hält es für erforderlich, eine gesonderte und ausdrückliche Zustimmung zu verlangen, die sich nur auf den sofortigen Download bezieht.

Wichtig ist auch, die nötige Zustimmung auch nicht durch Voreinstellungen im Account herbeizuführen. Auch dies sei nämlich nicht rechtmäßig.

3. Aussichten

Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. Google Commerce Limited hat nach aktuellem Kenntnisstand bereits Berufung eingelegt. Sieht das Oberlandesgericht Köln die Sachlage ähnlich, so läge es am Playstore, die Modalitäten entsprechend zu ändern. Es bleibt also spannend.

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Modernisierungen in Eigentümergemeinschaft

Wer zahlt, verliert!

Man stelle sich vor, ein Eigentümer einer Gemeinschaft gibt Modernisierungen in Auftrag und begleicht diese. Später stellt sich heraus, dass dies gar nicht seine Aufgabe gewesen wäre. Stattdessen war dies die gemeinschaftliche Aufgabe aller Wohnungseigentümer. Je mehr Eigentümer in der Gemeinschaft, umso geringer ist der eigene Kostenanteil.

Aber ist doch kein Problem, er erhält natürlich die zu viel bezahlten Kosten von den übrigen Eigentümern wieder, oder? Von wegen, entschied nun der Bundesgerichtshof.

1. Der Fall

Geklagt hatte ein Mitglied einer Eigentümergemeinschaft. Die Anlage bestand aus insgesamt 212 Apartments. Der Kläger ließ im Jahr 2005 seine einfach verglasten Holzfenster durch Kunststofffenster mit Dreifach-Isolierung ersetzen. Ähnliches hatten bereits zuvor auch andere Eigentümer in der Wohnanlage getan.

EigentümergemeinschaftDie Kosten hierfür übernahm der Kläger zunächst selbst. Dies tat er, weil er irrtümlich davon ausging, dass er die Erneuerung auf seine eigenen Kosten vornehmen müsste. Auch die übrigen Eigentümer nahmen ähnliche Modernisierungen vor, weil die rechtliche Lage noch nicht vollends geklärt war.

Im Jahr 2012 wurde eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs in einer anderen Sache veröffentlicht, die Licht ins Dunkel brachte (Urteil vom 02.03.2012, Az.: V ZR 174/11). Darin ging es um eine vergleichbare Regelung in der Teilungserklärung. Entschieden wurde dabei, dass die Erneuerung eine gemeinschaftliche Aufgabe der Wohnungseigentümer ist.

2. Das bisherige Verfahren

Bereits das Amtsgericht Hamburg-Barmbek ging davon aus, dass dem Eigentümer kein Anspruch zustünde. Die Klage auf Wertersatz in Höhe von 5.500,00 Euro wies es ab.

Auch in der Berufung vor dem Landgericht Hamburg blieb die Klage ohne Erfolg; jedoch wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. Der Kläger wandte sich sodann an das oberste deutsche Zivilgericht, um die Sachlage zu klären.

3. Die Entscheidung für die Eigentümergemeinschaft

Der Bundesgerichtshof geht jedoch – ebenso wie die Vorinstanzen – davon aus, dass kein Anspruch auf Erstattung besteht. Hierfür fehle es an einer rechtlichen Anspruchsgrundlage.

Für einen solchen Anspruch gäbe es nur zwei mögliche Grundlagen im Gesetz: Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 1 BGB) oder Bereicherungsrecht (§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Beide Regelungen sind vorliegend aber nicht anwendbar. Das liegt daran, dass für das Wohnungseigentumsrecht besondere Vorschriften gelten, die Spezielleres über die Instandsetzung gemeinschaftlichen Eigentums enthalten. Jene Vorschriften besagen, dass die Wohnungseigentümer über etwaige Instandsetzungsmaßnahmen zu entscheiden hätten (§ 21 Abs. 4, 5 WEG).

Dies hätte auch dann Vorrang, wenn es um eine zwingende Maßnahme geht. Denn auch dann verbleibt den Eigentümern ein gewisser Gestaltungsspielraum. Die genaue Ausführung der Maßnahmen, die Auswahl der Handwerker oder auch eine etwaige Kostenersparnis durch mehrere Aufträge liegt immerhin bei den Eigentümern. Ausnahmen hiervon gelten nur für Fälle der Notgeschäftsführung, also wenn ein Schaden unmittelbar droht (§ 21 Abs. 2 WEG).

Daran liegt es insofern auch, dass die Eigentümer auch über eine an sich zwingende Instandsetzung einen Beschluss fassen müssen.

Der BGH geht deshalb davon aus, dass es dem Eigentümer zumutbar ist, das besondere Verfahren des WEG einzuhalten. Im vorliegenden Fall hätte also auch der Kläger einen Beschluss der Wohnungseigentümer herbeiführen können.

Der Irrtum des Klägers, er müsse die Modernisierung auf eigene Kosten als Sondereigentümer vornehmen, begründet keinen Anspruch. Ein Ausgleich würde die übrigen Eigentümer zu sehr in ihren Rechten als Mitglied der Gemeinschaft beschränken. Zwar müssen Eigentümer innerhalb einer WEG mit unvorhersehbaren Ausgaben durch Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum rechnen. Dies bedeutet aber nicht, dass sie im Nachhinein Ausgaben tätigen müssen für bereits abgeschlossene Maßnahmen, die sie nicht beeinflussen konnten.

Ihr Mitspracherecht wäre auf diesem Weg vollkommen umgangen. Dies läuft der Systematik des Wohnungseigentumsrechtes zuwider.

4. Fazit zur Eigentümergemeinschaft

Im ersten Moment mag das Ergebnis dieses Falles überraschen. Denn immerhin befand sich der Kläger im Irrtum über seine eigene Zahlungspflicht.

Allerdings führte der Irrtum dazu, dass der Kläger die Maßnahme selbst und vollständig nach seinen eigenen Vorstellungen durchführte. Was wäre die Folge, wenn man einen Anspruch auf Erstattung gegenüber den anderen Eigentümern annehmen würde? Dann hätten alle Eigentümer der übrigen 211 Wohnungen Kosten für eine Maßnahme zu erstatten, die sie zu keinem Zeitpunkt beeinflussen konnten. Im schlimmsten Fall hätten sämtliche Eigentümer außer dem Kläger dagegen gestimmt. Auf diesem Weg könnte man sonst eine Maßnahme erzwingen, die im Rahmen der Gemeinschaft keine Mehrheit finden würde.

Bedenkt man diese Konsequenz, so ist verständlich, warum ein Anspruch des Klägers hier vom BGH verneint wurde.

Sie haben Fragen zu dieser Entscheidung oder zu einem anderen Problem des Wohnungseigentumsrechts? Gerne helfen wir Ihnen bei der Klärung. Nehmen Sie hierzu einfach Kontakt mit unserer Kanzlei auf und vereinbaren Sie einen Termin.