Facebook, Twitter & Co. – Leben nach dem Tod!?

Sind digitale Zugänge eigentlich vererblich?

Mehr als jeder zweite besitzt heutzutage mindestens einen Zugang zu sozialen Netzwerken. Ob als Plattform für Kommunikation, zum Upload von Meldungen und Bildern oder zum Teilen interessanter oder amüsanter Videos und Sprüchen: Facebook, Instagram, Twitter und sämtliche weiteren Anbieter stellen schon seit geraumer Zeit einen wesentlichen Bestandteil des sozialen Lebens dar.

Ein damit im Zusammenhang stehender, äußerst tragischer Vorfall warf eine rechtliche Frage auf, der sich der Bundesgerichtshof im Sommer 2018 stellen musste: Was passiert mit dem Account im Falle des Versterbens des Inhabers? Oder anders gefragt: Ist ein solcher Account eigentlich vererblich?

1. Der Fall

Geklagt hatte im Fall die Mutter eines jugendlichen Kindes, welches äußerst plötzlich und unerwartet durch einen tragischen Unfall verstorben ist. Die Tochter war bei einem sozialen Netzwerk – im Fall war dieses die Beklagte – registriert und unterhielt dort ein Benutzerkonto.

Nach dem Tod des Kindes versuchte die Klägerin, sich in das Benutzerkonto Ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es inzwischen in den sog. „Gedenkzustand“ versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen und für Freunde und Bekannte sichtbar.

Aufgrund dessen klagte die Klägerin auf vollständigen Zugang zum Benutzerkonto.

2. Bisheriger Prozessverlauf

In erster Instanz obsiegte die Klägerin vor dem Landgericht Berlin. Das Kammergericht änderte jedoch das erstinstanzliche Urteil und wies die Klage ab. Hiergegen legte die Klägerin Revision ein und ließ die Sache vom Bundesgerichtshof entscheiden.

3. Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof verkündete nun dessen Auffassung, dass die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Benutzerkonto uneingeschränkt vererblich sind und folglich auf die Erben übergehen. Insofern steht den Erben auch ein Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto mit sämtlichen darin enthaltenen Inhalten zu.

Die Entscheidung lautet genau:

„Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.“

Konkret bedeutet dies, dass im Falle des Todes den (gesetzlichen oder testamentarischen) Erben der volle Zugang zu den Benutzerkonten der sozialen Medien zusteht.

4. Zugang trotz Nutzungsbedingungen

Im Fall war eine Thematik, dass eine etwaige Regelung in den Nutzungsbedingungen des Netzwerkbetreibers dem entgegenstehen könnte.

Tatsächlich war dies aber nicht der Fall, da dort keine Regelung enthalten war, die die Frage betraf, ob das Konto als solches vererblich ist. Wie der Betreiber mit dem Konto nach dem Tod des Inhabers verfährt, war nur im Hilfebereich des Netzwerkes enthalten. Zwischen den Parteien war es nicht wirksam vereinbart. Außerdem hält der Bundesgerichtshof diese Beschreibungen für unwirksam und nicht mit dem Gesetz vereinbar.

Dadurch ist aber selbstverständlich nicht gesagt, dass nicht andere Nutzungsbedingungen von anderen Betreibern eine Regelung dazu enthalten. Insbesondere kann man damit rechnen, dass nun der ein oder andere Betreiber eine Vereinbarung für solche Fälle dort aufnehmen wird.

Wie eine solche Regelung aussehen müsste, damit sie als wirksam vereinbart gilt, ließ der Bundesgerichtshof aber bisher noch offen.

5. Zugang trotz Persönlichkeitsrecht

Bevor diese Angelegenheit vom Bundesgerichtshof entschieden wurde, diskutierten viele Seiten darüber, ob die Vererbung des Zugangs nicht gegen das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen verstoßen würde. Denn dieses gilt allgemein auch über den Tod des Verstorbenen hinaus.

Hierzu äußerte sich der BGH nun aber, dass dies letztlich am Thema vorbei ginge. Denn für die Vererblichkeit kommt es alleine auf den Nutzungsvertrag zwischen Betreiber und Nutzer an. Dieser betrifft aber an sich keine personenbezogenen Daten. Solche Daten werden erst durch den Nutzer und seine Tätigkeit (z. B. Uploads, Kommentare) ins Spiel gebracht.

Die Leistungen, die der Betreiber einer solchen Plattform erbringt, sind rein technischer Natur.

Um dem Persönlichkeitsrecht Beachtung zu schenken, ist deshalb lediglich nachvollziehbar, die aktive Weiternutzung durch die Erben auszuschließen. Ein Zugang zu den bisherigen Online-Tätigkeiten steht dem aber nicht entgegen.

Vergleichbar ist ein solcher Zugang mit privaten Tagebüchern zu Hause. Dass das Eigentum hieran auf die Erben übergeht, ist in der Rechtsprechung längst anerkannt.

6. Zugang trotz Datenschutz

Auch die Datenschutzgrundverordnung steht aus Sicht des BGH dem Zugang der Erben zum Benutzerkonto nicht entgegen.

Das Problem liegt hier insbesondere darin, dass über das Portal auch mit Dritten kommuniziert wird. In Konversationen bzw. Postings können persönliche Daten der Kommunikationspartner enthalten sein. Der Kommunikationspartner kann bei Veröffentlichung zwar bestimmen, wer seine Mitteilungen sehen soll und darf. Auf die Weitergabe innerhalb eines Benutzerkontos hat dieser aber selbstverständlich keinen Einfluss.

Entscheidend ist zunächst, dass der jeweilige Kommunikationspartner vor seinem Tod sämtliche Daten freiwillig und bewusst an das Portal übermittelt, damit diese dort veröffentlicht werden.

Dies ist aber letztlich vergleichbar mit dem postalischen Versand von Dokumenten, da deren Weitergabe nach Versand auch letztlich nicht mehr kontrolliert werden kann.

Die Klägerin wünscht den Zugriff zur Klärung der Todesursachen des eigenen Kindes, insbesondere um Aufschluss auf etwaige Suizidgedanken erhalten zu können. Dieses Interesse ist von höherem Gewicht als etwaige Interessen von Kommunikationspartnern.

Immerhin ist es aufgrund der erbrechtlichen Regelungen auch nachvollziehbar, wie im Falle des Todes mit Dokumenten und Inhalten (egal ob analog oder digital) damit verfahren wird. Die Vererblichkeit des Benutzerkontos ist daher auch für Dritte erkennbar.

7. Beurteilung

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist tatsächlich im Kern nicht überraschend.

Wie mit dem zu greifenden Nachlass vor Ort verfahren werden muss, ist bereits seit geraumer Zeit eindeutig geklärt. Eine Differenzierung zwischen digitalem und analogem Nachlass wäre hier nicht nur unpraktikabel, sondern auch an sich nicht mit dem gesetzlichen Wortlaut vereinbar. Die voranschreitende Digitalisierung kann man nur dadurch entsprechend würdigen, dass auch allgemein geltende rechtliche Grundsätze in vergleichbarer Form hierauf Anwendung finden.

Auch ist überzeugend, dass es bei der Frage nach der Vererblichkeit eines Benutzerkontos letztlich um einen Nutzungsvertrag geht, der ebenso wie jedes andere Vertragsverhältnis der jeweiligen Erbfolge unterliegt.

Ob hier Datenschutz verletzt ist, mag sicherlich in jedem Einzelfall anders zu beurteilen sein. Hier könnte die Zukunft also noch weitere Entscheidungen ähnlich gelagerter Fälle bringen.

Insbesondere darf man gespannt sein, wie die Anbieter digitaler Dienste auf diese Entscheidung reagieren werden. Denn die Prüfung, wann und ob ein Account für Erben freigegeben werden darf bzw. muss, ist sicherlich mit erheblichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden. Außerdem ist nicht jede Änderung der Nutzungsbedingungen so ohne weiteres möglich bzw. zulässig.

Den Volltext der Entscheidung können Sie unter folgendem Link nachlesen.

Falls Sie Fragen zu dieser Entscheidung haben oder zur Vererblichkeit anderweitigen digitalen oder analogen Nachlassen, stehen wir gerne für Rückfragen zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns hierfür ganz einfach telefonisch oder per Mail und vereinbaren Sie einen Beratungstermin. Wir helfen Ihnen gerne.


Erbe! Oder lieber nicht?

Ein verschuldeter Nachlass – die Kehrseite der Medaille!

Erbe kann man auf zwei verschiedene Arten werden. Wenn ein Testament bzw. ein Erbvertrag vorliegt, bestimmt sich die Erbschaft danach, was der Verstorbene darin wirksam geregelt hat. Sofern keine eigene Verfügung des Verstorbenen, des sogenannten Erblassers, vorliegt, greift eine Erbfolge nach dem Gesetz ein. Nicht selten ist es der Fall, dass Erbe nicht nur eine einzelne Person, sondern eine Mehrheit, ein sogenannte Erbengemeinschaft, wird.

Unabhängig davon, ob eine Verfügung von Todes wegen vorliegt oder die Erbfolge nach dem Gesetz bestimmt wird, geht das Vermögen als Gesamtes auf den oder die Erben über (sog. Universalsukzession). Dies gilt jedoch – sehr zum Leidwesen der Erben – nicht nur für Vermögen, sondern auch für Schulden und Verbindlichkeiten, die der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes innehatte.

Das kann in manchen Fällen, in denen der Verstorbene kein nennenswertes Vermögen hatte, bedeuten, dass der oder die Erben durch den Tod einer anderen Person von einem Tag auf den anderen einen erheblichen Schuldenberg überlassen bekommen.

In solchen Konstellationen ist zu überlegen, wie dies vermieden werden kann.

1. Annahme der Erbschaft

Erbe kann selbstverständlich nur werden, wer eine ihm zugefallene Erbschaft auch in dieser Form annimmt. Dies muss jedoch nicht zwingend ausdrücklich vom Erben erklärt werden. Daneben gilt eine Erbschaft auch als angenommen, wenn

  • Ein schlüssiges Verhalten des Erben vorliegt, woraus man auf eine Annahme schließen kann
  • Die Ausschlagungsfrist gemäß § 1943 BGB abgelaufen ist
  • Eine Ausschlagung nach § 1957 BGB wirksam angefochten wurde

Man muss also nicht unbedingt tatsächlich erklären, man wolle die Erbschaft annehmen.

2. Die Ausschlagung

Befindet man sich also in der unliebsamen Situation, ein Erbe gemacht zu haben, welches im Gesamten aus Schulden besteht, empfiehlt sich, das Erbe auszuschlagen. Frühestens ist dies ab dem Tod des Verstorbenen möglich.

Dies geschieht durch Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Wichtig dabei ist, dass dies nur innerhalb einer Frist von sechs Wochen möglich ist. Diese Frist beginnt nicht zwingend mit dem Tod des Erblassers, sondern immer in dem Moment, in dem der jeweilige Erbe davon erfährt, Erbe geworden zu sein. Handelt es sich um eine selbstbestimmte Erbfolge des Verstorbenen (z. B. durch Testament), so beginnt diese Frist frühestens mit der Eröffnung des Testamentes durch das zuständige Nachlassgericht.

Zuständig für die Entgegennahme der Ausschlagungserklärung ist eigentlich das Nachlassgericht am letzten Wohnsitz des Verstorbenen; zur Wahrung der Frist ist eine entsprechende Erklärung jedoch auch am Amtsgericht des jeweilis eigenen Wohnsitzes des Erben möglich.

In formaler Hinsicht muss dies entweder zur Niederschrift des Nachlassgerichtes, also durch persönliches Erscheinen, oder aber in öffentlich beglaubigter Form geschehen. Eine Wahrung dieser Formvorschriften muss in jedem Fall erfolgen.

Wurde die Erbschaft wirksam ausgeschlagen, so hat dies zur Konsequenz, dass der Ausschlagende niemals Erbe in der angedachten Höhe geworden ist. Stattdessen gilt der Anfall der Erbschaft für ihn als nicht erfolgt. Von etwaigen Schulden des Erblassers wäre er damit befreit.

3. Anfechtung der Annahme

Jedoch kann es unter Umständen auch vorkommen, dass innerhalb der Frist von sechs  Wochen keine Ausschlagung erfolgt ist. Dies kann die verschiedensten Gründe haben, unter anderem beispielsweise, wenn dem jeweiligen Erben zu dem Zeitpunkt, in dem er von der Erbschaft Kenntnis erlangt hatte, gar nicht bewusst war, dass das Erbe tatsächlich kein positives Vermögen darstellt, sondern überschuldet ist. Alternativ wäre auch denkbar, wenn ein Erbe aufgrund Gesetzes als Verwandter berufen ist, sich jedoch erst nach dem Tod des Erblassers herausstellt, dass tatsächlich gar kein Verwandtschaftsverhältnis besteht. Gängig ist auch die Konstellation, in der dem Erben gar nicht bewusst war, dass er innerhalb einer Frist von sechs Wochen ausschlagen hätte müssen.

In solchen und ähnlich gelagerten Fällen besteht das Problem, dass die Erbschaft automatisch durch Ablauf der Ausschlagungsfrist angenommen wurde. Dann bleibt dem Erben stets noch die Möglichkeit, diese erfolgte Annahme im Nachhinein anzufechten.

Hier sieht das Gesetz einige Regelungen vor, welche eine Anfechtung meist bei einem Irrtum des Erben zulassen. Ob ein derartiger Irrtumstatbestand vorliegt, bemisst sich jedoch stets nach dem Einzelfall und kann nicht per se vorhergesagt werden.

Gerne helfen wir Ihnen hier bei der konkreten Beurteilung Ihres persönlichen Sachverhaltes weiter.