Musik in der Wohnung

Was darf ich und was darf ich nicht?

Jeder kennt vermutlich das Problem: Ein Nachbar ist bei der Gartenarbeit zu laut; oder man hört lautstark Diskussionen anderer Hausbewohner mit. Oder man ist sich nie ganz sicher, was man jetzt eigentlich darf und wann man seine Nachbarn möglicherweise stört.

Insbesondere Hobbies wie das Musizieren stoßen immer wieder auf die verschiedensten Auffassungen. Genau mit einer solchen Frage durfte sich der Bundesgerichtshof nun in einer aktuellen Entscheidung auseinandersetzen.

Musiker

1. Der Fall

Im Fall bewohnten die Parteien zwei Reihenhaushälften in einem Wohngebiet. Der Beklagte ist Trompeter als Berufsmusiker und nutzte sein privates Umfeld mehrmals wöchentlich für Proben an seinem Instrument sowie als Lehrer für privaten Trompetenunterricht. Dabei berücksichtigte er stets Mittags-und Nachtruhe.

Nichtsdestotrotz fühlten sich die Nachbarn belästigt. Sie verlangten sowohl vom trompetenden Nachbarn als auch von dessen Ehefrau, dass geeignete Maßnahmen ergriffen würden, damit die Lärmbelästigung reduziert würde.

2. Bisheriger Prozessverlauf

In erster Instanz vor dem Amtsgericht Augsburg behielt der Kläger Recht. Die Beklagten legten hiergegen Berufung ein. Dadurch wurde erreicht, dass ihnen verboten wurde, Musikunterricht zu erteilen sowie in anderen Räumen als im Dachgeschoss und länger als zehn Stunden pro Woche Trompete zu spielen.

Beide Parteien waren mit diesem Ausgang des Verfahrens nicht einverstanden.

3. Die Entscheidung des BGH

Der BGH entschied hier aber nun am 26.10.2018 (Az.: V ZR 143/17) wesentlich differenzierter als die Vorinstanzen dies für nötig empfunden.

a) Ehefrau

Die Klage gegen die Ehefrau des Trompeters wurde durch den BGH von vornherein abgewiesen. Ihre Verurteilung käme nur in Betracht, wenn sie eine sogenannte mittelbare Handlungsstörerin wäre und deshalb das Musizieren Ihres Mannes unterbinden müsste. Dem ist aber nicht so, da der Trompeter selbst Hauseigentümer ist und deshalb dort aus eigenem Recht heraus musiziert. Eine Verpflichtung der ebenfalls dort wohnenden Ehefrau besteht nach den gesetzlichen Vorgaben nicht.

b) Ehemann

Hinsichtlich des trompetenden Nachbarn kommt es auf eine etwaige Beeinträchtigung im Einzelfall an. Grundsätzlich kann in derartigen Fällen ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB bestehen. Dieser ist jedoch ausgeschlossen, wenn die dadurch für den Nachbarn entstehenden Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Dabei kommt es auf das Empfinden eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ an.

Bei einem richterlichen Ortstermin vor dem Landgericht Augsburg in zweiter Instanz wurde festgestellt, dass das Trompetenspiel des Beklagten im Dachgeschoss im Wohnzimmer der Kläger nicht und in deren Schlafzimmer nur leise zu hören ist. Beim Spielen im Wohnzimmer des Beklagten war es im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger als schwache Zimmerlautstärke zu vernehmen.

aa) Unterschiedliche Interessen

Der BGH ging deshalb davon aus, dass das Landgericht in zweiter Instanz zu streng geurteilt hatte. Das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen Übens gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung. Deshalb ist es aus der maßgeblichen Sicht eines „verständigen Durchschnittsmenschen“ in gewissen Grenzen hinzunehmen. Immerhin kann es einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts bilden und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude und das Gefühlsleben sein. Es gehört – wie viele andere übliche Freizeitbeschäftigungen – zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit.

Andererseits soll auch dem Nachbarn die eigene Wohnung die Möglichkeit zur Entspannung und Erholung und die dazu jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten. Ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen kann im Ergebnis nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens herbeigeführt werden. Dabei hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt.

bb) Einzelfallregelung

Wie eine solche Regelung aussehen könnte, muss im jeweiligen Einzelfall bestimmt werden, da es hierbei auf die jeweilige Lautstärke, die konkrete Beeinträchtigung und die örtlichen Gegebenheiten ankommt. Ein grober Richtwert könnte die Beschränkung auf ca. zwei Stunden täglich unter Einhaltung der Mittags- und Nachtruhe sein. Ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende, wie ihn das Landgericht Augsburg vorgesehen hat, kommt jedoch nicht in Betracht. Dies ließe nämlich außer Acht, dass Berufstätige, aber auch Schüler häufig gerade abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren finden.

Außerdem ist entscheidend, ob durch andere Maßnahmen (beispielsweise das Musizieren in anderen Räumen) bereits möglich ist, Rücksicht auf die nachbarlichen Interessen zu nehmen. Das Musizieren in den Hauptwohnräumen des Hauses kann aber nicht gänzlich untersagt werden.

Aufgrund dessen hielt der Bundesgerichtshof das Trompetenspiel im Dachgeschoss außerhalb der Mittags- und Nachtruhe für etwa drei Stunden täglich für eine unwesentliche Beeinträchtigung. Dadurch bestünde aber die Möglichkeit, das Musizieren in den Wohnräumen, wo es für die Nachbarn lauter zu vernehmen ist, zeitlich stärker einzugrenzen. Insgesamt erschien  eine Beschränkung auf drei Stunden täglich angemessen.

Sofern es durch das Unterrichten zu stärkeren Beeinträchtigungen kommt, wäre dies auf weniger Stunden wöchentlich oder auf eine reine Ausübung im Dachgeschoss zu beschränken.

Eine endgültige Entscheidung wurde durch den BGH nicht getroffen. Da es hier noch weiterer Feststellungen bedarf, welche Einzelfallregelung passend ist, wurde der Sachverhalt an das Landgericht zurückverwiesen.

4. Fazit

Eine tatsächliche Entscheidung seitens des Bundesgerichtshofes ist in dieser Sache also nicht ergangen. Dies wurde dem Landgericht Augsburg überlassen, da hierfür noch weitere Feststellungen zu treffen waren.

Nichtdestotrotz ist eine klare Haltung des BGH erkennbar, wonach auch besondere und lautstärkenintensivere Freizeitbeschäftigungen bis zu einem gewissen Grad zu schützen sind. Jedoch ist immer darauf zu achten, dass auch der Nachbar ein Recht auf Ruhe in seinem eigenen Zuhause hat. In manchen Konstellationen mag ein Gespräch zur gütlichen Beilegung sinnvoll und auch zielführend sein. Oftmals ist jedoch aufgrund einer verfahrenen Situation bereits von vornherein klar, dass ein Konsens nicht gefunden werden kann.

Gerne helfen wir Ihnen bei der Beurteilung Ihres Falles weiter, versuchen ggfs. unter Nachbarn zu schlichten oder machen die Ihnen zustehenden Rechte für Sie geltend. Kontaktieren Sie uns einfach hierfür telefonisch und vereinbaren Sie einen Beratungstermin. Wir helfen Ihnen weiter!


Kein Widerrufsrecht bei Mieterhöhungen

Der BGH hat (Recht) gesprochen!

Ein beinahe alltägliches Szenario: Ein lange bestehendes Mietverhältnis ist nicht an die aktuell üblichen Mietpreise angepasst. Deshalb übermittelt der Vermieter dem Mieter ein Mieterhöhungsverlangen, welchem der Mieter fristgemäß zustimmt. Anschließend möchte der Mieter seine Zustimmung zurücknehmen. Oder er erkennt erst nach Zustimmung, dass die Erhöhung vom Vermieter falsch berechnet wurde. Steht ihm dabei ein Widerrufsrecht zu?

1. Problemaufriss

Lange Zeit gab es viele Diskussionen und keine klare Antwort zu dieser ganz bestimmten Rechtsfrage: Liegt die vereinbarte Miete unter dem üblichen Durchschnitt der Umgebung, kann ein Vermieter die Erhöhung der Miete verlangen. Dazu kann bzw. muss der Mieter zustimmen. Gleichzeitig ist vielseits bekannt, dass zumindest bei Verträgen zwischen Unternehmern und Verbrauchern je nach Einzelfall dem Verbraucher ein Widerrufsrecht zustehen kann. Doch gilt dies auch bei der erteilten Zustimmung eines Mieters zu einer Mieterhöhung?

Genau diese Frage wird seit langem von Juristen unterschiedlich beurteilt. Erfreulicherweise lag nun ein entsprechender Fall dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vor.

2. Der Fall

Im betroffenen Verfahren war der Kläger Mieter einer Wohnung der Beklagten. Die Beklagte als Vermieterin machte eine Mieterhöhung geltend und forderte die Zustimmung des Klägers hierzu. Der Kläger stimmte der Erhöhung zunächst fristgemäß zu, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend bezahlte er die erhöhte Miete nur unter Vorbehalt.

Mit der von ihm eingereichten Klage begehrte er die Rückzahlung der aus seiner Sicht zu viel bezahlten Miete.

Mietvertrag

3. Bisheriger Prozess

Im bisherigen Prozessverlauf war das Landgericht Berlin zunächst davon ausgegangen, dass generell auch bei Zustimmungserklärungen zu Mieterhöhungsverlangen ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehen kann. Entscheidend sei, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür gegeben seien. Dies sei insbesondere bei Verbraucherverträgen der Fall, die im Fernabsatz, also rein mit elektronischen Kommunikationsmitteln, zustande gekommen seien. Die gesetzlichen Vorgaben eines solchen Widerrufsrechts seien nur in diesem konkreten Einzelfall nicht erfüllt gewesen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts legte der Kläger Revision ein.

4. Entscheidung des BGH

Hierzu entschied der BGH nun mit Urteil vom 17.10.2018 (Az.: VIII ZR 94/17), dass eine gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters vom Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen nicht erfasst ist und dem Mieter ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zusteht.

Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstreckt das Widerrufsrecht zwar auf „Verträge über die Vermietung von Wohnraum“. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift umfasst jedoch nicht den Bereich der Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB

Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung soll Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden. Nach dem dahinter stehenden Regelungszweck betrifft dies nur Situationen beim ursprünglichen Abschluss von Mietverträgen.

Dieser vom Gesetzgeber bezweckte Schutz wird bei Mieterhöhungsverlangen durch andere Mechanismen ausreichend berücksichtigt:

  • Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen. Damit soll der Mieter die Möglichkeit haben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch kann der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen informiert und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden.
  • Außerdem räumt das Gesetz dadurch, dass der Mieter mindestens zwei Monate Zeit zur Zustimmung hat, diesem eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb der er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt.

Somit ist bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.

5. Beurteilung

Die Auffassung des BGH überzeugt aus unserer Sicht in vollem Umfang und war tatsächlich überfällig. Völlig abwegig erscheint die Meinung, dass eine einmal erteilte Zustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen vom Mieter noch einmal revidiert werden könnte. Daher kann der im Schrifttum teilweise vertretenen Auffassung, ein solches Recht stünde dem Mieter zu, nur mit Unverständnis entgegen getreten werden.

Auf den ersten Blick mag eine solche Argumentation zwar mit dem Wortlaut des Gesetzes vereinbar sein. Mit der tatsächlichen Intention hat dies aber letztlich nichts zu tun. Immerhin sieht der Ablauf bei Mieterhöhungsverlangen einige Besonderheiten vor, die eine andere Beurteilung als bei üblichen Vertragsabschlüssen rechtfertigt. Die Argumente des Bundesgerichtshofs, wonach keine benachteiligte Position des Mieters angenommen werden kann, überzeugen.

Für Mieter gilt es jedoch, nun besonders darauf zu achten, ob ein Mieterhöhungsverlangen  rechtmäßig ist. Hat man einmal die Zustimmung hierzu erteilt, gilt die darin festgesetzte erhöhte Miete als zwischen den Parteien vereinbart.

Sollten Sie Fragen zu den gesetzlichen Anforderungen eines Mieterhöhungsverlangens haben oder Informationen dazu benötigen, ob und ggfs. wie sich die Rechtsprechung des Urteils für Sie als Mieter oder Vermieter auswirkt, stehen wir jederzeit für Ihre Rückfragen zur Verfügung. Auch können wir Ihnen bei der Verfassung oder Prüfung eines anstehenden oder Ihnen zugestellten Mieterhöhungsverlangen helfen. Kontaktieren Sie uns dazu einfach telefonisch oder per E-Mail und vereinbaren Sie einen Beratungstermin. Wir freuen uns auf Sie!